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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Kontrollschild. Eines davon, das letzte konnte ich lesen.«
    »Kein Scheiß!«, platze er heraus. »Denen werde ich die Hölle heißmachen, darauf kannst du wetten.«
    Sie folgten dem langen Stollen tiefer in den Berg hinein, bis er in eine Art Parkplatz mündete. Rot-weiße Latten, die den Zugang versperrt hatten, waren zur Seite geräumt, was Greg mit einem weiteren, nur halb unterdrückten, Fluch quittierte. Er parkte den Wagen vor einer Reihe schwerer Eisengitter, die den Zugang zu weiteren Räumen versperrten.
    »So, Ladies, aussteigen bitte. Das ist die Höhle von Remedis. Ich habe euch gewarnt, ihr werdet hier nichts mehr finden.«
    Audrey verschlug es fast den Atem, als sie die Tür öffnete. Es stank entsetzlich nach Benzin und verbranntem Plastik.
    Greg reagierte sofort: »Hier stimmt eine ganze Menge nicht. Ihr wartet besser im Wagen und haltet die Fenster geschlossen.« Er holte Schutzmaske und Grubenlampe aus dem Kofferraum und rannte zum größten der Gittertore. »Bin gleich zurück«, rief er über die Schulter. Er brauchte seinen Schlüsselbund nicht, um das Tor zu öffnen. Die letzten Besucher hatten sich offenbar keine Mühe gegeben, abzuschließen.
    Audrey dachte nicht daran, im Wagen zu bleiben. Sie presste ein Taschentuch vor die Nase und rannte hinter ihm her. Sie hörte nicht auf die aufgeregten Rufe ihrer Mutter, grinste nur, als sie sah, wie sie ihr zögernd folgte. Seltsam, das Atmen fiel leichter, je weiter sie ins Höhlensystem vordrang. Es war keine Illusion, auch Greg hatte seine Maske abgenommen. Sie fand ihn fassungslos in der Mitte eines Gewölbes, das sich über zwei oder drei Stockwerke ausdehnte. Auf jeder Seite hatte man fünf Türen in den rohen Fels gehauen. Die ganze Halle war ursprünglich weiß gestrichen, davon zeugten noch die Decke und das obere Drittel der Wände. Wo sie und Greg standen, herrschte nichts als schwarzer Tod und Verwüstung. Was immer sich in diesem Raum befunden hatte, war nur noch Schutt und Asche. Verkohlte Stummel, die noch glimmten, Stränge geschmolzener Kabel, die sich wie Nabelschnüre einer monströsen Unterwelt um verbogene, rußgeschwärzte Metallskelette wanden. Was von den Türen an den Wänden übrig war, hing an den Scharnieren wie Trauerflor. Dahinter die gleiche trostlose, verbrannte Wüste.
    Greg hatte sie längst bemerkt, aber seine Aufmerksamkeit galt nicht ihr. Wortlos schritt er durch die Trümmer, stocherte hie und da mit einem Stecken in der Asche. Plötzlich blieb er stehen. Er beugte sich hinunter, hob etwas an mit seinem Werkzeug und zuckte erschrocken zurück. »Shite!«, fluchte er in breitem Schottisch.
    »Was ist los?« Audrey näherte sich vorsichtig.
    »Verdammt, das sind Killer!«, rief er.
    Ihr stockte der Atem, als sie sah, was zu seinen Füßen lag. Ein verkohlter menschlicher Schädel glotzte aus der Asche. Die zerbrochene Wirbelsäule und die Rippen des eingedrückten Brustkorbs ragten unter den Überresten eines Schranks hervor. »Mein Gott«, keuchte sie. »Was ist hier geschehen?« Sie war zwar Polizeibeamtin und gut ausgebildet im Beurteilen von Tatorten, aber bisher hatten sich Verbrechen, die sie untersuchte, stets in der virtuellen Welt abgespielt. In einer abgefackelten Gruft vor einem verkohlten Skelett zu stehen, war eine ganz andere, zutiefst schockierende Erfahrung.
    »Hallo Sam«, grüßte Leos Stimme hinter ihrem Rücken. Sie deutete auf den Knochenmann am Boden. »Das ist Sam, weit verbreitet in Arztpraxen und Hörsälen, oder habt ihr schon mal einen geschmolzenen Unterkiefer gesehen?«
    »Shite«, schnaubte Greg wieder. »Ein Dummy aus Kunststoff! Ich bin ein Idiot. Aber was macht ihr überhaupt hier? Ich sagte doch, ihr sollt im Wagen warten.«
    Leo gab keine Antwort. Ihr Blick schweifte langsam über das Trümmerfeld, die Wände, die Decke des Gewölbes und wieder auf die schwarzen, stinkenden Überreste der Einrichtung auf dem Boden. Nach einer Weile nickte sie und sagte überzeugt: »Das ist ein OP. Hier wurde operiert, keine Frage. Das muss die Kammer sein, von der die Wirtin gesprochen hat.«
    »Ist nur leider nicht viel davon übrig«, meinte Audrey. Hier würde selbst ihr kriminaltechnischer Dienst kaum mehr brauchbare Spuren finden. Die Räume waren sozusagen pyrotechnisch gesäubert. Es sei denn – sie trat näher an die Wand gegenüber dem Eingang. Dort musste ein Schrank gestanden haben. Die Umrisse hoben sich hell vom rußigen Schwarz der Umgebung ab. Der Grund, warum sie sich für diese

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