Natur
Vorteile zu nutzen. Dementsprechend sind Wohnungsunternehmen, Baubranche und Immobilienmarkt daran interessiert, Natur Gewinn bringend einzusetzen.
Abbildung 2-1: Baumformen (Lohr & Pearson-Mims, 2006, S. 674)
Dass gezeigte Bilder von gebauten Umwelten mit Natur gegenüber Bildern ohne Naturelemente bevorzugt werden, wurde viele Male empirisch nachgewiesen. Lohr & Pearson-Mims (2006) haben Versuchspersonen Bildszenen mit einer schematisierten gebauten Umwelt vorgelegt, auf denen verschiedenen Arten von Bäumen oder kein Baum zu sehen waren. Die ästhetischePräferenz wurde mit Hilfe eine Skala erfasst. Die Bilder ohne jeden Baum gefielen am wenigsten, während Bildszenen mit ausladenden, dachartigen Bäumen am beliebtesten waren.
Die verschiedenen Bedeutungen und Funktionen überschneiden sich. Bäume sind nicht nur physische Natur, sondern auch ein Element, um gebaute Umwelten auf das richtige Maß zu bringen (Zube, 1978). Dass Bäume eine solche Funktion haben, hat Stamps (2000) mit seinen Experimenten vorgeführt: Ein Haus mit Bäumen davor wird als weniger massig wahrgenommen als dasselbe Haus ohne Bäume (vgl. Abbildung 1-26 , S. 58). Bäume vor großen Gebäuden sind demnach zu empfehlen, wenn man die Menschen nicht einschüchtern möchte.
Die Gründe für die Bedeutung und Beliebtheit von Bäumen sind vielfältig (Lohr & Pearson-Mims, 2006; Henwood & Pidgeon, 2001; Sommer, 2003):
Abbildung 2-2: Stammbaum (Niels Flade)
• Bäume sind mit der eigenen Identität verbunden, was sich z. B. in dem Begriff des Stammbaums ausdrückt.
• Bäume waren in der Urzeit der Menschheit für das Überleben wichtig, indem sie Schutz vor Witterungseinflüssen boten und Schatten spendeten.
• Bäume tauchen in Märchen, Legenden und Mythen auf. Zum Beispiel verkörpert die Yggdrasil genannte Esche in der nordischen Mythologie als Weltenbaum den Kosmos; der Baum, von dem Eva den Apfel pflückt, symbolisiert Erkenntnis.
• Bäume schaffen ein besonderes Ambiente ringsum, sie beschirmen, man fühlt sich geborgen. So wird die Entstehung der Psychoanalyse mit einer uralten riesenhaften Ulme an einem Dorfbrunnen in Verbindung gebracht, unter der die Patienten in Hypnose versetzt wurden 18 .
• Der Baum ist ein Symbol für die menschliche Gestalt und die Ordnung der Welt: die Wurzeln stehen für die Füße, der Stamm für den Körper,die Äste für die Arme und die Krone für den Kopf. Analog spiegeln sich in der Wurzel die Unterwelt, im Stamm die Erde und in der Baumkrone der Himmel wider.
• Bäume sind eine Metapher für Verwurzelung.
• Bäume erhöhen die Komplexität einer Umgebung, indem sie Licht- und Schattenmuster erzeugen.
• Bäume liefern einen auf die menschliche Größe bezogenen Maßstab. Sie werden, auch wenn sie den Menschen deutlich überragen, nicht als erdrückend und überwältigend wahrgenommen wie z. B. Hochhäuser oder monumentale Gebäude 19 .
Naturliebe: angeboren oder gelernt?
Wenden sich Menschen instinktiv Naturumwelten zu oder beruht die Erkenntnis, dass Natur für den Menschen gut und lebenswichtig ist, auf Lernprozessen? Die Antwort ist ein «sowohl als auch», denn die Bevorzugung von Umwelten, die Naturelemente enthalten, gegenüber puren gebauten Umwelten hat mehr als einen Grund. Die Ergebnisse sprechen sowohl für angeborene Mechanismen, die in einer Biophilie und positiven emotionalen Reaktionen auf den Anblick von Natur zum Ausdruck kommen, als auch für die Bedeutung von Erfahrungen mit der natürlichen Umwelt. Einige Theorien streichen die genetische Determiniertheit heraus, während andere die Bedeutung von Lernprozessen und persönlichen Erfahrungen mit der Natur schon in der Kindheit betonen (Hunziker, 2006).
Biophilie und Prospekt
Zunächst sollen die Überlegungen zur genetischen Determiniertheit der Wertschätzung von Naturumwelten erörtert werden. Wörtlich übersetzt heißt Biophilie «Liebe zum Lebendigen». Unter Biophilie wird die angeborene Affinität gegenüber der natürlichen Umwelt verstanden (Kellert, 2005). Die Annahme der «Biophilia-Hypothese» ist, dass die Liebe zum Lebendigen und zur Natur angeboren ist und dass sich der Mensch ausdiesem Grund dazu hingezogen fühlt (Wilson, 1984). Er braucht den Kontakt mit der Natur, um psychisch und physisch gesund zu bleiben und im Leben einen Sinn zu finden. Er muss also nicht erst lernen, dass Natur für ihn lebenswichtig ist; Naturumwelten werden von ihm vielmehr instinktiv bevorzugt. Die Hinwendung zur
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