Natur
Natur ist eine angeborene Reaktion, die nicht der willentlichen Kontrolle unterliegt (Orians & Heerwagen, 1992). Für die Biophilia-Hypothese spricht, dass Menschen gern im Freien sind, dass sie sich gern in der Natur aufhalten, dass sie sich für Tiere interessieren und dass sie Naturlandschaften zu schätzen wissen (Nisbet et al., 2009).
Doch welche Merkmale sind es nun eigentlich, die diese Vorliebe und Zuwendung bewirken? Wie die dazu vorliegenden Forschungsergebnisse besagen, reagiert der Mensch unmittelbar positiv auf Umwelten,
• die gut überschaubar sind
• in denen er sich leicht orientieren kann
• die leicht zu erkunden sind
• die das Vorhandensein von lebenswichtigen Ressourcen verheißen.
Savannen haben diese Eigenschaften. Sie lassen sich gut überblicken, man verirrt sich nicht so schnell wie z. B. in der Wüste, denn es gibt dort Gräser, Sträucher, Bäume und Wasser, die als Landmarks dienen können. Bäume mit ausladenden, dachartigen Baumkronen sind eine wichtige Ressource, sie bieten am meisten Schutz insbesondere vor sengender Sonneneinstrahlung (Lohr & Pearson-Mims, 2006).
Dennoch lassen sich Vorlieben für bestimmte Umwelten, Landschaften und Baumarten kaum allein biologisch erklären, denn das Verhalten des Menschen wird nicht nur durch Instinkte gesteuert. Nahe liegend sind auch Umwelteinflüsse. Plausibel ist, folgende Sequenz anzunehmen:
• Auf Umweltmerkmale wird emotional entweder positiv oder negativ reagiert. Diese Reaktion ist angeboren.
• Das daraufhin erfolgende Verhalten hängt von der Art der emotionalen Reaktion ab. War diese positiv, wendet sich der Mensch der Umwelt erkundend zu. Negative emotionale Reaktionen lösen dagegen Abwendungsverhalten aus, so dass die betreffende Umwelt nicht weiter exploriert wird.
• Es werden diejenigen Orte für einen längeren Aufenthalt ausgewählt, die sich bei der Erkundung als am besten geeignet erwiesen haben, die individuellen Bedürfnisse zu erfüllen.
Balling & Falk (1982) haben den anfänglichen biologischen Teil in dieser Sequenz durch eine geschickte Versuchsanordnung sichtbar zu machen versucht. Ihre Überlegung war, dass sich die angeborene Präferenz für den Landschaftstyp Savanne am stärksten in jungen Jahren manifestieren müsste, in dem angeborene Präferenzen noch am meisten «durchschlagen», weil sie noch weniger von nachfolgenden Erfahrungen mit anderen Landschaftstypen überlagert und noch wenig durch soziale und gesellschaftliche Einflüsse geformt sind. Sie legten Versuchspersonen unterschiedlichen Alters Bilder von Landschaften vor. Das Spektrum reichte vom tropischen Regenwald über den Laubwald, den Nadelwald und die Savannenlandschaft bis hin zur Wüste. Die Bevorzugung der Savanne war bei den 8- bis 11-Jährigen signifikant ausgeprägter als bei den Jugendlichen und den Erwachsenen. Balling & Falk werteten ihr Ergebnis als Bestätigung, dass sich die ursprünglich biologisch verankerte Mensch-Natur-Beziehung im Laufe des Lebens verändert; sie wird kulturell überformt. Am wenigsten gefiel allen Gruppen die Wüste 20 .
Zu den genetischen Ansätzen gehört auch die Prospect-Refuge Theorie, die erstmals 1975 von Appleton formuliert wurde. Seine Überlegung war einfach: Die Menschen in der Urzeit brauchten, um überleben zu können, sowohl geschützte Räume als auch einen Ausblick, um sowohl Gefahren erkennen als auch Ressourcen ausfindig machen zu können. Auch die heute lebenden Menschen fühlen sich wohl und sicher, wenn sie ihre Umwelt überblicken können und ihnen Schutz bietende Refugien zur Verfügung stehen. Ihr Bedürfnis nach Sicherheit wird befriedigt, wenn diese Bedingungen erfüllt sind (Fisher & Nasar, 1992). Die Möglichkeit, fliehen zu können (escape), lässt sich im weiteren Sinne ebenfalls als ein Schutz gewährendes Refugium bezeichnen. Die Fluchtwege sind in diesem Fall das Refugium. Wenn man potentiellen Gefahren nicht entkommen kann, ist man nicht sicher. Wenn z. B. auf einer Insel, die unter dem Meeresspiegel liegt, die Deiche brechen, gibt es kein Entrinnen (vgl. Kapitel 3.2 ).
Empirische Ergebnisse bestätigen die Prospect-Refuge Theorie: Eine offene übersichtliche Umgebung befriedigt das Sicherheitsbedürfnis (Vrij & Winkel, 1991). Der Grund, warum Kirchtürme, Aussichtsplattformen und hohe Berggipfel gerne bestiegen werden, ist nicht allein, dass man von dort einenumfassenden Ausblick hat, sondern auch das Gefühl, Herr der Lage und damit sicher zu sein.
Auf
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