Natur
Aufmerksamkeitserholungstheorie, die sich auf kognitive Prozesse bezieht.
Physiologie der emotionalen Reaktion
Das Modell der emotionalen Reaktion rückt die körperlich-physiologische Ebene der Mensch-Umwelt-Beziehung in den Blickpunkt. Die emotionale Reaktion erfolgt reflexartig, sie unterliegt nicht der willentlichen Kontrolle; der Körper wird dadurch - je nach der Reaktion - in eine Ruhelage oder in Erregung versetzt. Negative emotionale Reaktionen wirken aktivierend. Ein Symptom ist z. B. die Herzschlagfrequenz. Ulrich (1983) hat die Wirkung grüner Natur auf eine angeborene positive emotionale Reaktion mitsamt den damit einhergehenden physiologischen Vorgängen zurück geführt. Der Anblick von Natur beeinflusst, vermittelt über die unwillkürliche emotionale Reaktion, die physiologischen und vegetativen Prozesse in der Weise, dass der Körper in eine Ruheposition versetzt wird; anstelle des Sympathikus tritt der Parasympathikus in Aktion.
Ulrich und Mitarbeiter (1991) verwendeten den Blutdruck als Indikator des Erregungsniveaus. In ihrer Untersuchung bekamen Studierende einen Stress erzeugenden Film über Unfälle am Arbeitsplatz gezeigt. Anschließend wurden ihnen sechs Videos entweder über Natur- oder Verkehrsumwelten oder Einkaufszentrenmit Fußgängern gezeigt. Gifford (2007) hat das Ergebnis graphisch veranschaulicht (vgl. Abbildung 2-13 , S. 87).
Abbildung 2-13: Stressabbau nach der Betrachtung von Videos mit Natur- und mit städtischen Szenen (Gifford, 2007, S. 432)
Laumann et al. (2003) konnten empirisch bestätigen, dass der Anblick von Bildern mit Naturlandschaften das physiologische Erregungsniveau herab setzt, was beruhigend wirkt. Die Herzschlagfrequenz diente ihnen als Indikator des Erregungsniveaus. Es reichen sogar schon Bilder von Natur, um eine beruhigende Wirkung zu erzielen. Die im Forschungslabor induzierte mentale Ermüdung konnten die Versuchspersonen rascher überwinden, die Naturvideos gesehen hatten, als diejenigen, denen Videos mit Stadtszenen vorgeführt worden waren.
Natur hat nicht nur einen kurzfristigen momentanen Effekt. Die physiologisch verankerte beruhigende Wirkung wirkt nach. Wie Parsons et al. (1998) festgestellt haben, wird durch den Kontakt mit der Natur nicht nur eine kurzfristige Erholung erzielt, sondern es wird auch noch die Stressanfälligkeit verringert, also eine gewisse Immunisierung erreicht.
Erholung von mentaler Ermüdung
Während das Konzept der emotionalen Reaktion den Fokus vor allem auf die Stresssymptomatik sowie physiologische Vorgänge richtet, stehen in der Aufmerksamkeitserholungstheorie die kognitiven Prozesse, die sich bei der Erholung von mentaler Ermüdung abspielen, im Vordergrund (Korpela & Hartig, 1996). Der Grundgedanke ist, dass jede längere mentale Anstrengung über kurz oder lang zu einer mentalen Ermüdung führt. Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu richten, und Ablenkungen auszublenden, nimmt im Laufe der Zeit ab (Berto, 2005).
Man weiß aus eigener Erfahrung, dass die Beschäftigung mit Aufgaben, die fortgesetzte Aufmerksamkeit erfordern, nach einiger Zeit zu Ermüdung und schließlich zu Erschöpfung führt. Man kann z. B. nur eine bestimmte Menge an Bildern in einer Ausstellung «verkraften». Es strengt mental an, sich auf weitere Bilder und Exponate zu konzentrieren und ein Abschweifen der Gedanken zu unterdrücken. Je müder man ist, umso schwerer fällt es, sich mit einem Sachverhalt zu befassen, der einen nicht in Bann zieht. Gerichtete bzw. willkürliche Aufmerksamkeit erfordert ein willentliches Mitmachen. Sie ist vonnöten, um etwas länger Dauerndes zu vollbringen und mit den Anforderungen von außen, die Ausdauer erfordern, fertig zu werden (Kaplan, 1995).
Im Gegensatz dazu macht un willkürliche Aufmerksamkeit keinerlei Mühe, denn hier bedarf es keines persönlichen willentlichen - und anstrengenden - Einsatzes. Der Betrachter muss sich nicht zwingen, bei der Sache zu bleiben, denn die Umwelt zieht die Aufmerksamkeit automatisch auf sich. Weil in dieser Phase keine mental anstrengende kognitive Arbeit erforderlich ist, kann der Mechanismus der willkürlichen Aufmerksamkeit pausieren und regenerieren. Auf diesem Vorgang basiert die Aufmerksamkeitserholungstheorie. Die Natur spielt darin eine bedeutende Rolle, weil sie die unwillkürliche Aufmerksamkeit durch die Faszination, die sie auslöst, auf sich zieht.
In anregungsarmen Umwelten muss sich der Mensch anstrengen, um mit seinen
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