Naturgeschichte(n)
Augen der Jäger taxiert werden, verminderte sich diese Funktion bis zur Bedeutungslosigkeit.
Längst sind auch die Weibchenrudel vielerorts zu groß, weil zu wenige richtig gute Platzhirsche am Leben gelassen werden. Nur in besonderen Wildschutzgebieten wie in den Brohmer Bergen der Deutschen Wildtierstiftung und in den militärischen Sperrgebieten, herrschen natürlichere Verhältnisse beim Rotwild. Dort gibt es zahlreiche Kronenhirsche, kleinere Brunftrudel und viele nachdrängende Junghirsche. Das Überleben der Kronenhirsche in der Natur stellt dort ein verlässliches Signal für die Hirschkühe dar. Es war und ist keine Angeberei, ein Geweih mit vielen Enden auf dem Kopf zu tragen, sondern besagt, ich habe so und so viele Jahre überlebt, ich bin gesund. Im Kampf mit den Gegnern zeigt sich dann, wer im allgemeinen Angebot an fitten Hirschen der Fitteste ist.
So war denn auch der Riesenhirsch keine Sackgasse der Evolution, in die er von seinen Hirschkühen hineingezogen worden war, sondern ein Tier, das unter den Ernährungsbedingungen der Eiszeitnatur bestens gedieh und sich mit dem gewaltigen Geweih der Wolfsangriffe erwehrte; vielleicht auch der Löwen, die es damals im europäisch-nordasiatischen Eiszeitland noch gegeben hatte. Er starb aus, als sein Grasland, die Mammutsteppe, verschwand. Vielleicht halfen die Menschen als Eiszeitjäger dabei mit, denn der Riesenhirsch gehört zu jenen Tieren, die in eiszeitlichen Höhlenmalereien dargestellt wurden.
Ein Mensch,
fünf Hunde, zehn Bäume
Wie schnell geht Evolution?
Die Gegner der Evolution behaupten, es gäbe keine Übergangsformen zwischen den größeren Gruppen der Tiere und Pflanzen. Im Kleinen würde schon Anpassung an die jeweilige Umwelt stattfinden, aber die Grundzüge der Lebewesen können nur aus einem Schöpfungsakt hervorgegangen sein, eben weil es keine Übergänge gibt.
Sind das Rückzugsgefechte, um den Glauben an die göttliche Schöpfung der Natur zu retten, in die der Mensch mit einer besonderen Stellung hineingesetzt wurde? Oder verweisen die Kritiker auf tatsächliche Schwächen und Lücken in unseren Vorstellungen von der Evolution?
Charles Darwin ging in seinem epochalen Werk von 1859 » Über den Ursprung der Arten durch natürliche Selektion« davon aus, dass die Evolution in ganz kleinen Schritten, gleichsam unmerklich, voranschreitet. Erst über sehr lange Zeiträume hinweg wird das Neue erkennbar. Müssten demnach nicht überall, in der lebendigen Natur wie auch in den als Versteinerungen erhaltenen Tieren und Pflanzen, Übergänge zu sehen sein?
Diese Schlussfolgerung ist in gewisser Weise auch richtig: Die Lebewesen existieren nicht als schablonenhafte Normprodukte, sondern in vielfältigen Abweichungen. Wir nennen sie Variationen. Sehen wir doch nur uns Menschen an. Keiner gleicht dem anderen. Zwillinge, die nur aus einem befruchteten Ei, das sich gleich danach geteilt und getrennt hat, hervorgehen, machen uns vielleicht Schwierigkeiten, sie zu unterscheiden. Unmöglich ist es keineswegs. Und mit dem Heranwachsen kommen auch individuell kleine Variationen zustande. Solche begleiten jeden Menschen durchs Leben.
Auch kein Baum gleicht dem anderen seiner Art ganz genau. Die Tierzüchter merzen immer wieder die auftretenden Abweichungen vom gewünschten Aussehen der betreffenden Hunderasse aus, um die » Norm« zu erhalten. Die natürliche Tendenz zur Variation verschwindet nicht. Ihre Ursachen kennen wir inzwischen so gut, dass sich eine neue Art von Technik damit befasst, die Gentechnik.
Es liegt am Erbgut, am Genom, dass alle Lebewesen variabel sind – und sich wandeln können, wenn entweder ein sogenannter Selektionsdruck eine bestimmte Richtung dafür vorgibt, oder neue Lebensmöglichkeiten neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Die Variation ist der eine entscheidende Punkt, um den es beim Verständnis der Evolution geht. Der andere ist die Zeit. Sie richtig zu erfassen, fordert unser Verständnis mehr als alles andere heraus, was mit Evolution zu tun hat. Wir leben nach dem menschlichen Zeitmaß. Ein anderes können wir nur direkt mitverfolgen, wenn es schneller als unseres läuft, sodass sich die Veränderungen vor unseren Augen und innerhalb unseres Menschenlebens abspielen.
Das Leben all unserer Haustiere verläuft wesentlich schneller als unseres. Fünf Hundegenerationen würden, aneinander gereiht, in ein durchschnittliches Menschenleben passen. Aber zehn bis 20 unserer Generationen in die Lebenszeit
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