Naturgeschichte(n)
darauf hin, dass Menschen früherer Zeiten die Natur verändert und den Wildbestand dezimiert hätten.
Werfen wir einen genaueren Blick auf jene Region in Afrika, aus der die meisten Vor- und Frühmenschenfunde stammen, Ostafrika mit dem großen Grabenbruch: das Rift Valley. Dort gibt es gegenwärtig sogar die größten Wildtierherden. Eineinhalb Millionen Gnus, mehrere Hunderttausend Zebras, Zigtausende Antilopen und Gazellen ziehen wie in Urzeiten über das weite Grasland der Serengeti und ihrer angrenzenden Gebiete. Das besonders reichhaltige Wildtiervorkommen reicht von Äthiopien das Rift Valley entlang bis ins südliche Afrika. Aus genau diesem Raum stammen die weitaus meisten Fossilfunde zur Entwicklungsgeschichte der Gattung Mensch. Sie vermitteln die Grundzüge der Entstehung des aufrechten, zweibeinigen Gangs, der Übersicht über die Savanne verschaffte und die Hände frei machte. Zu diesem Lebensraum passt unsere nackte Haut mit ihrer einzigartigen Fähigkeit, durch starkes Schwitzen den Körper zu kühlen. Dort gibt es auch eine Vielzahl salzhaltiger Gewässer und Quellen, an denen die Wildtiere ihren Salzbedarf decken. Die locker mit Bäumen bestandene, über inselartige Hügel einsehbare Landschaft entspricht genau dem, was die meisten Menschen für ihren Wohnsitz bevorzugen würden: freie Aussicht, Schatten spendende Bäume und Wasser am Hügel, am besten als Quelle. Und viel Sonne dazu. Zu dieser Landschaft passt der Läufer Mensch, der mit den Großtierherden wandern und sich so von den Jahreszeiten weitgehend unabhängig machen konnte.
Mit unseren auf Fernsicht eingestellten Augen lässt sich die Savanne überblicken. Ziehen irgendwo Geier immer niedrigere Kreise, ist das ein sicheres Zeichen für ein soeben verendetes oder von Raubtieren getötetes Großtier. Der Mensch kann aus dem Flug der Vögel » lesen«. Um daraufhin seine zweite Fähigkeit auszuspielen, nämlich einen schnellen, zielgenauen Spurt hinzulegen. In den ersten zehn bis 15 Minuten nach der erfolgreichen Tötung eines Großtieres sind die meisten Raubtiere, selbst die Löwen, noch nicht in der Lage, die Beute gegen einen schnellen Angriff flinker, in der Gruppe zusammenwirkender Primaten zu verteidigen. Sie müssen erst wieder zu Atem und zu Kräften kommen.
von oben nach unten:
Löwe, Leopard, afrikanischer Wildhund, Gepard, Gazelle, Hyäne.
Häufiger noch dürfte jene Situation eingetreten sein, dass bei den Wanderungen ein Gnu, ein Zebra oder auch ein Büffel aus Erschöpfung verendete. Dann waren die kreisenden Geier ein noch besseres Zeichen für die Vor- und Frühmenschen im Nahrungswettlauf gegen die Raubtiere. Löwen sehen die kreisenden Geier nicht. Sie können ihren Flug nicht deuten. Darüber hinaus waren die Geier nicht nur eine Art frühgeschichtlicher Gong, der zur Mahlzeit rief; ihre Existenz zeigt an, dass Großtierkadaver nicht knapp gewesen sein können. Denn Geier jagen selbst nicht, sondern sind auf die Reste der Beute anderer angewiesen. Würden die Löwen und anderen Raubtiere die verendeten und erjagten Tiere vollständig verzehrt haben, wäre für die Geier nichts mehr übrig geblieben. Doch die Geier überlebten eben nicht nur in den letzten fünf Millionen Jahren, über die sich die Menschwerdung erstreckte, sondern sogar in verschiedenen Arten, die sich auf unterschiedliche Teile und Zersetzungsstadien der Kadaver spezialisierten. Daher müssen in dieser ganzen langen Zeit in Afrika ausreichend Großtierkadaver vorhanden gewesen sein. Woraus wiederum folgt, dass die Frühmenschen und auch unsere eigenen Vorfahren keinen Grund gehabt haben sollten, die so wildreiche afrikanische Heimat zu verlassen. Und doch haben sie es getan.
Wir müssen nochmals einen genaueren Blick auf Ostafrika werfen, um hier weiterzukommen. Die bis in unsere Zeit besonders wildreichen Regionen waren nur dünn besiedelt, als die Europäer dorthin kamen. Sie erfassten bald den Grund. Wo das Großwild üppige Weiden fand, weil es in den beiden Regenzeiten reichlich Niederschläge gab, wurden Mensch und Vieh von einer äußerst unangenehmen Fliege geplagt, der Tsetsefliege. Sie überträgt die Schlafkrankheit auf den Menschen und ähnliche Erreger auf das Vieh, welche die sogenannte Naganaseuche hervorrufen. Die davon befallenen Tiere, Hausrinder und Hauspferde, werden auffällig müde und schlapp, sie magern ab und siechen dahin. Die Schlafkrankheit verläuft beim Menschen ganz ähnlich. Denn die Erreger (Trypanosomen)
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