Naturgeschichte(n)
gegeben haben. Zwei Schlussfolgerungen liegen nahe. Erstens müssen diese Gegenden fruchtbar gewesen sein. Die Bezeichnung » fruchtbarer Halbmond« besagt das bereits. Zweitens sind fruchtbare Regionen auch wildreich. Den Menschen, die Ackerbau und Viehzucht erfanden, ging es also nicht schlecht. Sie nagten nicht am Hungertuch. Sie konnten es sich leisten, Jungtiere großzuziehen und sogar mit ihnen weiterzuzüchten. Wäre Fleisch knapp gewesen, hätten sie das sicherlich nicht getan. Das gezähmte Tier kann davonlaufen, einem Raubtier zum Opfer fallen oder gestohlen werden. Was man hat, das hat man. Was man nicht gleich braucht, mit dem kann man experimentieren. Doch welche Tierart sich eignet, hängt von ihrer Lebensweise ab.
Große Fleischfresser wie Löwen eignen sich nicht als Haustiere. Kleine Mäuse kommen von selbst. Katzen, die sie jagen, wird man rasch schätzen lernen, wie in anderen Regionen auch Schlangen, die den lästigen, vielleicht sogar Krankheiten übertragenden Nagern nachstellen. Züchten braucht man sie deswegen nicht. Das Jagen liegt in ihrer Natur. Igel kann man braten und essen. Nicht alle Völker lehnen das ab wie wir. Für Kaninchen braucht man geeignete, gegen Kleinraubtiere gut gesicherte Ställe und viel Geduld. Diese Überlegungen lassen sich ewig weiterführen.
Geht man die Säugetiere durch, die bei uns in Deutschland von Natur aus leben, käme das Wildschwein infrage. Es ist domestiziert worden. Alle Hausschweine stammen von ihm ab. Das war allerdings schon, bevor Ackerbauern nach Mitteleuropa vorrückten.
Und an Hirsche denkt man. Auch sie wurden domestiziert – halb zumindest, denn sie sollten und müssen weitgehend frei in der Natur zurechtkommen. Nordische Völker wie die Samen (Lappen) benutzen sie. Der halb gezähmte Hirsch ist das Rentier. Der Rothirsch, der Edelhirsch unserer Jagd seit den Zeiten des Mittelalters, eignete sich nicht. Zu gering ist sein Herdenzusammenhalt, zu gefährlich sind die Hirsche mit ihrem Geweih. Aber ein anderes Wildtier gab es bis vor rund tausend Jahren, das Urrind, auch Auerochs genannt. Von ihm stammen die Hausrinder ab. Gezüchtet wurden auch sie zuerst im Vorderen Orient, also dort, wo die Menschen nach dem Ende der letzten Eiszeit besonders günstige Lebensbedingungen hatten. Wildziegen und Wildschafe, nahe Verwandte des Mufflons, gab es dort ebenfalls.
Alle drei, die Wildrinder, die Wildziegen und die Wildschafe, zeichnen sich durch Übereinstimmungen aus, die für die Domestikation wichtig waren. Sie leben in Gruppen, Herden, zumindest in so etwas wie Großfamilien. Sie sind Wiederkäuer, die sich von Pflanzen ernähren. Und die Männchen werden eigentlich nur während der Fortpflanzungszeit gefährlich. Kastriert man sie, ist dieses Problem so gut wie gelöst. Aus dem wilden Stier wird der willige Zugochse.
Als Fleischlieferant portionierte Elenantilope.
Es gelang nicht, sie zum Haustier zu züchten.
Diese drei Wildformen unserer wichtigsten Haustiere verbindet eine weitere Eigenschaft, die sie für die Menschen besonders attraktiv machte. Sie führen jahreszeitliche Wanderungen durch. Dabei folgen sie einem Leittier. Seine Stelle kann der Mensch einnehmen. Als Nahrung nehmen sie bereitwillig alles, was von der Ernte der Feldfrüchte abfällt. Rind, Schaf und Ziege passen daher gut mit dem Ackerbau zusammen.
Kängurus vor dem Pflug kann man sich schwerlich vorstellen. Auch zu anspruchsvoll, was die Pflanzen betrifft, dürfen die in Kultur genommenen Tiere nicht sein. Und ihre Größe muss passen. Die mögliche Auswahl schrumpft also rasch zusammen. Übrig bleiben im Wesentlichen die tatsächlich auch domestizierten Arten. Und ein paar mehr, an denen die Domestikation zwar versucht wurde, aber misslang.
Rinder und Schafe oder Rinder und Ziegen passen sogar zusammen, weil sie einander in der Wahl des Futters ergänzen. So betrachtet, brauchten die Menschen eigentlich auch gar keine weiteren Haustiere. Vom Pferd abgesehen, auch von Elefant und Kamel, Lama und Meerschweinchen, weil wir mit diesen Tieren ein besonderes Verhältnis verbinden.
Bleibt das Rätsel, warum keines dieser Haustiere aus dem an Großtieren so reichen Afrika stammt? Keine der grundlegend wichtigen, weitverbreiteten Getreidearten stammt aus Afrika. Den Weizen übernahmen die alten Ägypter vom Vorderen Orient. Also haben wir wieder die Verbindung mit dem Ackerbau. Nutztiere entstanden dort aus Wildtieren, wo Ackerbau betrieben und damit Überschüsse
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