Naturgeschichte(n)
liefert. Ausgerüstet mit so einem Gerät, können wir unsere Entdeckungsreise in die Welt der Augen beginnen. Denn es gibt deren viele.
Für einen ersten Eindruck besonders gut geeignet sind Strudelwürmer (Planarien), die in sauberen Quellen unter Steinen zu finden sind. Diese sehr flachen Tiere gleiten auf elegante Weise über den Untergrund dahin. In einem Schälchen mit Wasser kann man sie durch die Vergrößerung gut betrachten. Der einheitlich dunkle, nur angedeutet erkennbare Kopf (das Hinterende läuft immer mehr oder weniger stumpfspitzig ohne besondere Bildungen aus), weist in der 100- fachen Vergrößerung am Rand des Vorderendes zahlreiche dunkle Punkte auf. Beleuchten wir die Planarie von der Seite, wendet sie sich vom Licht ab und versucht zur dunklen hinzukriechen. Die Punkte sind nämlich sehr einfache Augen, eigentlich nur Ansammlungen eines Farbstoffs, der auf die Einwirkung von Licht reagiert.
Werden die » Augen« auf der einen Seite stärker gereizt als die auf der anderen, wechselt der Strudelwurm die Richtung so lange, bis die Augen an beiden Kopfseiten etwa die gleiche geringe Lichtmenge aufnehmen und das Vorderende am wenigsten davon abbekommt. Der Strudelwurm findet so die schützende Dunkelheit im Bachbett zwischen den Steinen.
Eine andere Wurmart mit milchigweißem Körper und eckig abgesetztem Kopf hat nur zwei Augen in der aus unserer Sicht » richtigen Position« am Vorderende rechts und links von der Körpermitte. Sieht man sich diesen Strudelwurm bei dieser oder noch stärkerer Vergrößerung an, so bekommt man unwillkürlich den Eindruck, dass er zurück und uns in die Augen schaut. Denn seine Augen sind becherförmig gestaltet und leicht schräg nach außen gestellt. Das wirkt auf den Betrachter wie ein » verschmitzter Gesichtsausdruck«. Obwohl auch das immer noch ein einfach gebauter Strudelwurm ist, sieht diese Art viel gerichteter, woher das Licht kommt – aber nur das Licht, und nicht mehr. Denn es gibt in seinem Auge noch keine Linse, die ein stark verkleinertes, umgekehrtes Bild auf eine Netzhaut oder Ähnliches projizieren könnte.
Einfache Augen sind das, aber nicht die einfachsten. Um solche zu sehen, brauchen wir die weit stärkere Vergrößerung des Mikroskops für ein Lebewesen, das wir gar nicht so eindeutig den Tieren oder den Pflanzen zuordnen können, nämlich ein Geißeltierchen namens Euglena . Es besteht nur aus einer einzigen, länglichen Zelle, die mithilfe einer mehr oder minder kräftig schlagenden Geißel schwimmt. Es dreht sich durch die Geißelbewegung zum Licht hin. Ein winziger dunkelrötlicher » Augenfleck« nimmt das Licht wahr, denn er besteht aus einem unserem Sehfarbstoff sehr nahe verwandten, lichtempfindlichen Pigment.
Davon gibt es mehrere, aber die meisten reagieren nur sehr langsam, wie die Farbstoffe in unserer Haut, die uns braun aussehen lassen, die Melanine. Der Sehpurpur hingegen reagiert schnell – und er kehrt von selbst wieder in den Ausgangszustand zurück, wenn die Lichteinwirkung aufhört. Das ist wichtig, denn andernfalls würde der lichtempfindliche Farbstoff rasch verbraucht sein.
Auge ist nicht gleich Auge. Libellen tragen Komplexaugen,
Affen und Tintenfische ähnliche »Kameraaugen« wie wir.
Am Anfang der Entwicklung zum Auge steht also der Farbstoff, der auf die Lichteinwirkung reagiert. In richtigen Tieren, das heißt in solchen, die aus vielen Zellen und Gewebe bestehen und die ein Nervensystem haben, wird die Lichteinwirkung in elektrische Impulse umgesetzt. Diese sind es, die unser Gehirn verarbeitet und woraus es das » Bild« erzeugt, das wir dann mit unseren Augen zu sehen vermeinen. Zwischen den lichtempfindlichen Farbstoffklümpchen und echten, vollständig ausgebildeten Augen liegt nun eine ganze Welt von Augen unterschiedlichster Leistungsfähigkeit und Komplexität.
Vor allem bei Schnecken gibt es sehr einfache Sehorgane. Sie bestehen nur aus einem Pigmentbecher und einer Zellschicht darunter, die die elektrischen Impulse dem gleichfalls noch sehr einfachen Hauptknoten im Zentralnervensystem zuleiten, der wiederum die Funktion eines Gehirns ausübt. Im Becher über dem Pigment kann sich eine glasklare, gallertige Flüssigkeit ansammeln, die spätere Linse. Sie erzeugt durch die rein physikalische Art der Lichtbrechung ein einfaches Bild, das jedoch schon besser ausfällt als eines der uralten Lochkameras ohne Linse. Gleichzeitig entsteht durch die Außenhaut dieser Linse ganz von selbst die Wirkung
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