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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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Versprechen mir gegenüber halten?«, fragte sie leise, ohne sich aufzurichten.
    »Ich weiß es nicht, Lurdèa, aber darum brauchst du dich nicht zu sorgen. Ich habe für dich auch ein Lösegeld vereinbart.«
    Abrupt fuhr sie auf. »Was? Aber wie kannst du … warum …«
    Verlegen rieb er sich das bärtige Kinn. »Du hast dieses Kind gerettet, einfach so. Da wollte ich nicht hintenanstehen, nachdem ich vorhin einfach abgehauen bin. Ich wollte es wiedergutmachen.«
    »Damit bin ich dir verpflichtet, Berenvil, und das gefällt mir nicht«, sagte sie, halb verärgert und halb gerührt.
    »Rede keinen Unsinn. Sobald wir an Land gebracht werden, bist du frei. Dann kannst du nach Hause.« Er sah sie eindringlich an. »Aber wenn du dich schon verpflichtet fühlst, kann ich dich um etwas bitten. Dann sind wir quitt. Einverstanden?«
    »Ja ... falls ich deine Bitte erfüllen kann.«
    »Erzähl mir deine Geschichte. Wir teilen nun seit Tagen dasselbe Schicksal, und ich möchte wissen, was dir angetan wurde, und warum du keinen Mann in deiner Nähe erträgst.«
    »Du bist selbst ein Mann.«
    »Eben deswegen.«
    Sie legte sich wieder hin. Vielleicht half es ihr ja, das Geschehene besser zu verarbeiten, wenn sie einem Fremden ihre Geschichte erzählte. Ihre Beziehung zu Berenvil war etwas Besonderes, sie waren sich als Schicksalsgefährten in der Fremde begegnet. Bald würden sie beide frei sein und sich nie wieder sehen.
    »Gib dir einen Ruck«, forderte er sie auf. »Du bist eine Nauraka, selbst für meinesgleichen entstammst du damit einem Volk, das wir nur noch der Sage nach kennen. Ich möchte mehr erfahren.«
    Zu Beginn fiel es ihr schwer, zu sprechen, doch dann kam sie immer mehr in Fluss. Manchmal hatte sie ihre Stimme kaum noch unter Kontrolle, Wut und Hass kochten in ihr hoch. Aber je weiter sie vorankam, desto ruhiger und befreiter fühlte sie sich. Sie merkte schließlich, dass sie nur für sich selbst redete, dass es wichtig war, endlich Worte zu finden für das, was sie erduldet hatte, und diese Worte laut aussprach. Damit verlor Janwe seine Macht über sie, und sie fürchtete ihn nicht mehr.
    Berenvil hörte still zu. Als sie ihre Erzählung beendet hatte, drehte Lurdèa ihm ohne ein weiteres Wort den Rücken zu und schlief ein.

    Am Morgen erwachte Lurdèa, als ein einzelner Sonnenstrahl sich bis in den Kerker verirrte und ihr ins Auge stach. Auch die anderen Gefangenen kamen langsam zu sich. Berenvil stand bereits am Gitter und starrte angestrengt hinaus.
    Lurdèa bemerkte seine angespannte Haltung, stand auf und ging zu ihm.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte er und wies vor sich.
    Von hier aus war nur ein schmales Band des Meeres zu erkennen, darüber hing ein dunstverhangener violetter Himmel. Knapp über der Horizontlinie sah Lurdèa dunkle Punkte, die sich auf und ab bewegten. Und dahinter ... sah sie einen dünnen Streifen Grün. »Ist das Land?«
    Er nickte. »Aber der Schwarm dort sieht mir nach Schwarzmöwen aus. Sie sind wie Krähen und folgen einem großen Räuber, um sich ihren Anteil zu holen.«
    »Was könnte das sein?«
    »Ein Herantado. Halb so groß wie der Dsuntari, aber mit einem riesigen Maul voller Zähne, dem nichts entkommt. Er kreuzt zu dieser Jahreszeit gern vor den Gestaden Nerovias, wegen der reichen Fischgründe und kalbenden Wale.«
    Lurdèa war beeindruckt. »Kann er dieser schwimmenden Festung hier gefährlich werden?« Der Dsuntari war nicht nur riesig, seine Haut war so dick und undurchdringlich wie eine Rüstung, der Rückenpanzer hart wie Stein, und die Trutzburg der Ruadim darauf gegen jeden Angriff gewappnet.
    »Nein, das glaube ich nicht. Aber die Ruadim können nicht bis ans Ufer, sie müssen Boote herablassen und uns an Land bringen. Das Lösegeld gibt es erst dann, wenn wir alle sicher angekommen sind.«
    »Dann werden sie bestimmt warten.«
    »Ich würde nicht drauf wetten, denn je länger sie hier verweilen, desto höher steigt das Risiko, dass eine Flotte zum Angriff ausläuft. Sie können den Dsuntari zwar nicht einholen, aber ein neuer Treffpunkt müsste vereinbart werden, und das alles kostet viel Zeit und lockt womöglich eine weitere Piratensippe an.«
    Lurdèa schüttelte den Kopf. »Das Meer ist so groß und weit ...«
    »Aber die Pfründe knapp bemessen. Es ist nicht einfach, Lurdèa.«

    Bald darauf wurden die Gefangenen unter strenger Bewachung an den Rand des Rückenpanzers gebracht, zur hinteren Schwimmflosse, auf der Boote bereitlagen. Der Dsuntari

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