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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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hatte alles verloren, weil sie einen neuen Namen angenommen hatte, und damit hatte auch Erenwin sie verloren, und die See … und alles andere.
    Das war schlimmer als alles, jede Entbehrung, jede Pein. Vergebens waren alle Selbstzweifel gewesen, Vorwürfe, Ängste. Die ganze Suche umsonst. 
    Deswegen hatte er sie nicht gefunden! Nun begriff er erst, was seine Mutter Ymde damals gesagt hatte: Lurdèa sei nicht mehr da. Sie hatte damit nicht gemeint, wie er angenommen hatte, dass sie das Meer verlassen hatte. Sondern ihr ganzes Selbst war fort!
    »Ich glaube, Erenwin hat ein gutes Herz, Raëlle«, sagte Berenvil beschwichtigend. »Auch wenn er wie ein Ungeheuer aussieht. Und da wir noch am Leben sind, ist er nicht ausgeschickt worden uns zu töten, sondern, wie er es mir gesagt hat, ist er aus eigenem Antrieb hier, um meine Hilfe zu erbitten. Wir werden ihm doch unsere Gastfreundschaft nicht verweigern!«
    Kein Zucken in ihrem Gesicht bei der Nennung ihres Namens vorhin oder seines Namens jetzt. Sie wusste es nicht mehr, es war völlig ausgelöscht.
    Alles verloren.
    »Aber nein, ich werde natürlich gehen, wenn … wenn es für Euch eine zu große Belastung ist«, fing er an. Ihn schmerzte der Ekel, mit dem Raëlle ihn betrachtete. Es hatte ihm nie etwas ausgemacht, wenn die Menschen ihn verabscheuten, er wusste ja, dass sie recht hatten. Doch … sie …
    »Kommt nicht in Frage!«, unterbrach Berenvil strikt. »Ihr habt den beschwerlichen Weg auf Euch genommen, um eine Bitte an mich zu richten, und ich halte sowohl das Gastrecht als auch die Hilfsbereitschaft hoch.«
    Raëlles Blick klärte sich, und sie schüttelte leicht den Kopf. »Ich bitte um Vergebung«, sagte sie und lächelte. »Mein Benehmen war sehr schlecht, Herr Erenwin. Bitte verzeiht, dass Euer Aussehen mich erschreckt hat, denn wir haben nicht viele Begegnungen hier oben, und ich bin wohl mit der Zeit etwas merkwürdig geworden und höre zu viel auf den Aberglauben der Menschen. Seid unser Gast, speist mit uns, während Euer Gastzimmer gerichtet wird, und dann besprecht mit meinem Gemahl, weswegen Ihr gekommen seid.«
    »Also ist alles in bester Ordnung!«, strahlte Berenvil. »Schließlich haben wir nicht alle Tage jemanden, der so berühmt ist, hier oben. Weißt du, dass er uns schon zu unseren Kindern beglückwünscht hat, Liebste? Dabei ist das allein dein Verdienst.«
    »Was für ein Unsinn.« Nun lächelte sie offen. »Sie kommen nur nach dir, von mir haben sie gar nichts. Allein, dass sie ständig im Wasser sind …« Es schüttelte sie leicht. »Ich hingegen verabscheue das Wasser, schon seit ich zurückdenken kann.«
    Erenwin hörte zu, ohne zu verstehen. Was redeten die beiden da nur? Sie waren völlig in ihrer eigenen Welt gefangen, sahen nur sich, die Blicke ineinander verschränkt. Seine Augen rollten ziellos in ihren Höhlen, suchten nach einem Anhaltspunkt, einer Lösung, und dann blieb sein Blick am Spiegel hängen.
    Dort erblickte er zwei Wesen.
    Natürlich, Berenvil stand ja nur ein paar Schritte entfernt neben ihm.
    Aber … was sah er wirklich ?
    Einen Prinzen der Nauraka, hochgewachsen und schimmernd, mit langen hellen Haaren und blau und grün gesprenkelten Augen. 
    Und er sah ein schauriges Monster mit drachenähnlichen Zügen, völlig schwarz und mit steinernen Auswüchsen.
    Erenwin blickte neben sich, und der Prinz im Spiegel tat dasselbe.
    Und da begriff er. 

    Raëlle hielt sich die Ohren zu, als das unförmige Wesen schrill, wie in tiefer Qual, aufschrie.
    »Lurdèa! Schwester! Du hast dich mit dem Alten Feind verbündet! Du hast unserem Volk den Untergang gebracht!«
    Berenvil lachte, wie Raëlle ihren Gemahl noch nie lachen gehört hatte, und es jagte ihr einen eisigen Schauder den Rücken hinab. 
    »Nein«, sagte er zu dem schaurigen Fremden. »Das warst du.«
    »Wovon redet ihr?«, fragte die Burgherrin verständnislos. Wieso nannte er sie dauernd bei diesem seltsamen Namen, und jetzt auch noch … Schwester ?
    »Lurdèa!«, wiederholte das Ungeheuer kläglich winselnd. »Es ist einfach nicht möglich, dass du mich nicht erkennst! Erinnere dich! Schau in den Spiegel und erkenne die Wahrheit!«
    Sie konnte sich nur wundern, wovon dieses Scheusal da sprach; sicher war es besser, Folge zu leisten, um es nicht zu einem Angriff zu verleiten. Zweifelsohne war dieser überall im Lande gefürchtete Nauraka wahnsinnig. Zögernd trat Raëlle vor den Spiegel, wartete darauf, dass Berenvil sie daran hinderte oder eingriff, aber

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