Nauraka - Volk der Tiefe
anders, als ihr es heute kennt. Die Nauraka waren das größte und stärkste Volk, und sie herrschten über weite Gebiete der Umschließenden See. Nicht nur unter, auch über Wasser. Passierende Schiffe mussten Zoll zahlen, und mit den Herrschern der verschiedenen Inseln wurden Bündnisse eingegangen. Die Nauraka halfen beim Aufbau neuer Siedlungen und unterstützten im Kriegsfall den einen oder anderen Thron, je nachdem, welche Vorteile sie daraus zogen, oder was sie für Gerechtigkeit hielten.
Wir waren zu dem Zeitpunkt große Lehrmeister und ein hochgeachtetes Volk. Jeder von uns konnte Verbindung zur See aufnehmen und sich noch über sehr weite Entfernungen mit Familien oder Freunden verständigen. Man nannte uns die Drachenzähmer, weil wir eng mit dem Seedrachen verbunden waren, und wir beschützten andere oft vor den Ungeheuern des Meeres. Sogar gegen Dämonen traten wir an, mit dem Schutz des Seedrachen, und wiesen sie in ihre Schranken. Die Landgänger sprachen voller Respekt über uns und die Barden dichteten viele Legenden, die nicht übertrieben waren.
Als erstes Volk von Waldsee war es zu Beginn unsere Aufgabe gewesen, die anderen Völker, ob zu Wasser, zu Land oder in der Luft, anzuleiten und ihnen auf den Weg zu helfen. Zu meiner Zeit war dies allerdings schon fast in Vergessenheit geraten, denn die Welt war inzwischen dicht besiedelt, und die Völker hatten ihre eigene Entwicklung genommen. Sie brauchten uns nicht mehr, außer für Bündnisse, magische Dienste und so weiter, aber das waren nur noch geringe Belanglosigkeiten gemessen an dem, was wir einst leisteten.
Als ich heranwuchs, brach ein großer Krieg aus. Die Nauraka waren zu groß und zahlreich geworden, und sie neideten sich gegenseitig ihren Besitz und strebten nach mehr. Also fingen sie an, gegeneinander zu kämpfen. Auch andere Seevölker wurden mit hineingezogen, und so schien fast das gesamte Meer davon betroffen. Für die Besatzungen der Schiffe wurde es gefährlich, nur noch wenige wagten sich hinaus, sodass viele Inseln isoliert wurden und in Vergessenheit gerieten.
Dabei lag die Schlacht auf dem Titanenfeld noch nicht lange zurück, die alle Landvölker in tiefen Schock versetzt hatte, und nicht nur sie, auch die Götter mussten ihre Lage neu überdenken. An Land kam es daher zum Friedensschluss, doch in der See ging es gerade erst so richtig los. Die Nauraka kamen sehr gut ohne göttliche oder dämonische Hilfe damit zurecht, alles zu vernichten, um ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen. Unser Volk war zu groß geworden, und weil es so verehrt wurde, fast als göttlich und unbesiegbar galt, auch zu überheblich. Arrogant, stolz, unnachgiebig.
Ich war noch ein junger Bursche, als ich mich entschied, die Sache zu beenden. Ich war außergewöhnlich magisch begabt und sehr ehrgeizig. Ich wollte den Frieden bringen, und zwar rasch, und ich wollte dafür sorgen ― nur mit mir an der Spitze eines einzigen, riesigen Staates ―, dass es auch dabei blieb.
Ihr braucht mich nicht verächtlich anzuschauen, darin liegt nichts Verwerfliches, und ich war nicht der Einzige mit dieser Idee, doch keiner war so konsequent wie ich. Und lasst euch eines gesagt sein: Es gibt nichts, das ich bereue oder dessen ich mich schäme.
Vor allem damals wollte ich den Fortbestand und den hohen Status unseres Volkes bewahren. Selbst als Knabe war mir schon bewusst, dass am Ende eines Krieges nur Verlierer übrig bleiben, denn die Heimat ist danach verwüstet, und zu viele gestorben.
Ich unternahm die Reise zum Seedrachen. Ein tollkühnes Unterfangen, das meine Eltern niemals zugelassen hätten. Aber das war mir gleich, ich hatte mein Ziel vor Augen, und wenn ich es nicht erreichen sollte, dann wollte ich eben meinen Tod in Kauf nehmen.
Ich will euch nicht mit meiner Reise langweilen, bis ich den Drachen endlich fand und ihm einen Vorschlag machte, wie mit seiner Hilfe der Krieg beendet werden könnte.
Er lehnte ab.
Doch ich ließ mich nicht so leicht abweisen. Ich wusste, es gab nur diese eine Lösung. Ich musste ein stärkerer Nauraka werden als alle anderen. Nur, wenn ich mich als mächtiger als alle erwies, würden sie die Kämpfe einstellen und mir folgen. Ich wollte einen neuen Thron schaffen, um Hochkönig zu werden, mit dem mächtigsten Verbündeten an meiner Seite, dem Drachen.
Er lehnte wiederum ab.
Da wusste ich, ich musste einen anderen Weg gehen. Ich verabschiedete mich von dem Seedrachen und machte mich ohne sein Wissen auf die Suche
Weitere Kostenlose Bücher