Nauraka - Volk der Tiefe
nach seiner Gefährtin. Ich fand sie ruhend, wie ich es erhofft hatte, und näherte mich ihr mit aller Vorsicht. Dann ritzte ich ihre zarte Schuppenhaut gleich unter dem Auge an und trank ihr Blut.
Sie erwachte davon und war rasend vor Wut über das, was ich getan hatte. Ich floh, und sie folgte mir. Das Blut zeigte bald Wirkung, es vergiftete meine Adern, und ich erkannte, dass ich nicht lange überleben würde. Meine schönen Pläne lösten sich in nichts auf.
Mit letzter Kraft erreichte ich mit einem zornigen Drachenpaar im Nacken die heimatlichen Gefilde, wo gerade die Hauptschlacht stattfand.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, was dann folgte. Als die beiden Seedrachen erkannten, worum die Nauraka kämpften – nämlich nur um die bedingungslose Macht –, entschieden sie doch, dass es genug sei, da sie nun schon mal da waren. Der Bund zwischen ihnen und den Drachenzähmern zerbrach, und ich als der Auslöser befand mich genau zwischen beiden Parteien.
Beide Seiten verfluchten mich für das, was ich getan hatte. Weil ich versucht hatte, alles an mich zu reißen, weil ich den unverzeihlichen Frevel begangen hatte, einen Drachen zu verletzen und sein Blut zu trinken.
Noch bevor ich volljährig war, wurde ich also verdammt und ausgestoßen, belastet mit zwei Flüchen, die mich zum Weiterleben verurteilten, bis meine Vergehen gesühnt wären.
Das war eine enorme Leistung für einen Jungspund, findet ihr nicht?
Also jagten sie mich davon, nachdem sie mir zuletzt noch meinen Namen entrissen hatten, und ich floh in die weite See hinaus, doch mein Bann wurde rasch überall bekannt, sodass ich nirgends um Asyl bitten konnte.
Ich ging an Land. Ein winziges, unberührtes, namenloses Eiland, auf dem es nur mich als namenlosen Herrscher und namenloses Volk zugleich gab. Dort brütete ich lange Zeit über meiner Rache, während die Veränderung durch das Drachenblut zunahm und mich zu einem Mächtigen wandelte. In dem Maße, wie sich mein Äußeres neu gestaltete, formte sich auch mein Geist neu, und ich lernte unglaubliche Dinge, die mir durch das Erforschen der magischen Sphäre zuteil wurden.
Nach meiner Verbannung besannen sich die Nauraka, angeregt durch die beiden Drachen, und schlossen Frieden miteinander. An dem Ort, den ihr heute Darystis nennt, wurde das erste Königreich gegründet, das die anderen Fürsten vorbehaltlos als Oberhoheit anerkannten. Ein neuer Weg für unser Volk begann – der es jedoch immer tiefer hinab führte, bis dorthin, wo es heute ist, wie ihr beide nur allzu genau wisst.
Und an dem schnellen Verfall bin wiederum ich beteiligt – oder auch schuld, wenn ihr so wollt.
Ich wartete auf meinem Eiland geduldig auf den Tag der Rache, wenn ich zurückkehren und mir das gesamte naurakische Reich aneignen würde, und auch mit den Drachen hatte ich noch eine Rechnung offen. Doch durfte ich nicht unüberlegt handeln, diesmal durfte nichts schiefgehen.
Als das Tabernakel gefunden wurde, schien meine Stunde geschlagen zu haben. Wie so viele andere konnte ich die ungeheure Macht spüren, die von diesem Artefakt ausging, wenngleich keiner von uns ahnte, wofür es gedacht war. Doch das würde ich schon herausfinden, wenn es erst einmal in meinem Besitz wäre.
Zum ersten Mal kehrte ich wieder in die Tiefe zurück. Niemand erkannte mich, ich trug ja keinen Namen mehr und war damit auch kein Nauraka, also war es kaum gefährlich. Ich schlich mich nahe genug heran, um beobachten zu können, was im Königreich vor sich ging. Die Herrscher dort waren sozusagen meine Nachfahren, denn meine Familie war längst dahingegangen, und die Nachkommen ihrer Kinder herrschten nun. Ich konnte unbesorgt davon ausgehen, dass diese nichts mehr von meiner Existenz wussten. Deshalb nahm ich Gestalt eines Nauraka an und gelangte so an den Hof, erfuhr, was ich wissen wollte, und machte mich daran, das Tabernakel in die Hände zu bekommen.
Nachdem ohnehin bereits Krieg herrschte, war es mir ein Leichtes, mich mit dem Herrscher eines Nices-Reiches zusammenzutun und ihn magisch zu unterstützen. Wir rekrutierten Söldner aller Völker und waren nicht wählerisch. Das Einzige, was zählte, war der Wille zu töten. Dann griffen wir mit aller gebotenen Gnadenlosigkeit an.
Ich aber tat noch ein wenig mehr, denn auch die Seedrachenfrau war gekommen, um das Tabernakel zu schützen. Sie hatte sich entschlossen, die Königssippe zu unterstützen, und tat dies mit vernichtender Wirkung gegen alle anderen. Während mein
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