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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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Mann? Man sieht gar nichts bei all den Schuppen und hornartigen Verwachsungen.«
    »Alles noch da«, brummte er. »Aber wer keine Kleidung mehr tragen kann, muss sich eben anders behelfen.« Er sah sie aus ausdruckslosen glasschwarzen Augen an. »Wie kannst du nur meinen Anblick ertragen?«
    »Du bist mein Bruder«, antwortete sie. »Und das ist nur deine äußere Hülle. Berenvil ist das Ungeheuer, nicht du.«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe schreckliche Dinge getan, Lurdèa. Alle Geschichten, die du über mich gehört hast, sind noch untertrieben. Ich habe ganze Dörfer ausgelöscht, Männer bei lebendigem Leibe in ihren Hütten verbrennen lassen, Kinder ihren Müttern entrissen und in Brunnen geworfen, sie dort elend und voller Angst zugrundegehen lassen. Ich habe gebrechliche Alte, Kranke und Verwundete schrecklichen Kreaturen überlassen, die sie bei lebendigem Leibe fraßen. Ich habe Frauen, Knaben und Mädchen meinen Auftraggebern in die Sklaverei übergeben, und gute, mutige und ehrenhafte Männer ohne nachzudenken umgebracht, damit bösartige Dreckskerle an die Macht kommen. Ich habe geholfen, das Volk auszupressen, Geständnisse durch Folter zu erzwingen, und bin in die tiefsten Abgründe der Unmenschlichkeit getaucht, ohne auch nur einen einzigen Moment Reue zu empfinden. Wenn ich einen Auftrag erledigt hatte, zog ich weiter. Es war mir egal, verstehst du? Alles war Grau, und in mir nur Dunkelheit. Niemand wagte jemals, sich mir in den Weg zu stellen oder mir das Gastrecht zu verweigern, alle waren in meiner Anwesenheit stets freundlich und bemüht und taten so, als sähe ich genauso aus wie sie. Dabei dachte jeder nur, wer wohl mein nächstes Opfer sein mochte.«
    Sie schloss die Augen und schluckte heftig. Dann sagte sie bemüht ruhig: »Das war die Schwarze Perle ... das Drachenauge. Du konntest nichts dafür, dass sie dich so veränderte.«
    »Mag sein. Mag aber auch sein, dass sie nur etwas in mir weckte, das bereits vorhanden war. Auch Berenvil war schon so, bevor er verwandelt wurde.«
    Leidenschaftlich widersprach sie: »Du nicht, Eri, niemals! In dir ist nichts Böses, egal was du tust, das glaube ich einfach nicht. Du wolltest immer nur Gutes tun und allen helfen, solange ich dich kenne! Du warst sanft und verträumt, und jeder Gedanke an Kampf und Krieg war dir fern. Das ist der Nauraka in dir, der immer noch da ist – mein Bruder, der sich an mich erinnert und nie aufgehört hat, mich zu suchen! Das andere, was du so sehr fürchtest und verabscheust, was die schrecklichen Taten beging, ist die Perle, dein zweiter Teil. Sie ließ dich so handeln.«
    »Es machte mir nichts aus, Lurdèa«, flüsterte er. »Verstehst du das denn nicht? All diese Gewalt … wie kannst du das nicht böse nennen?«
    »Du hast es nicht aus Freude oder Machtgier getan. Der Fluch in dir trieb dich in die Dunkelheit, und die Machthaber in diesem Land nutzten das aus. Sie missbrauchten dich nicht weniger als mich. Drachen sind nun einmal unberechenbar, grausam und tödlich, Gewalt ist für sie eine Selbstverständlichkeit ohne tiefere Bedeutung. Aber ich würde sie trotzdem nie als böse bezeichnen, nicht so wie ich Berenvil als böse bezeichne, auch wenn er das anders sehen mag. Er kann sich noch so gut benehmen, das ändert nichts an seiner berechnenden Gnadenlosigkeit und Machtgier.«
    »Etwas ... Ähnliches hat schon einmal jemand zu mir gesagt«, sagte er zögernd.
    »Viel schlimmer ist das, was mich quält, denn ich habe ganz allein alles verschuldet, ohne Schwarze Perle und dergleichen.« Lurdèa rieb sich das Gesicht und ließ sich auf das linke Bett sinken, das sie für sich beanspruchte. »Wie konnte ich nur so unendlich dumm und naiv sein?«, sagte sie voller Selbstekel. Sie starrte auf ihre Füße, riss die feinen seidenen Schuhe herunter und schleuderte sie an eine Wand. »Sieh dir das an! Wie konnte ich das nur tun? Habe ich meine Füße nie mehr genau angesehen? Ich muss doch völlig verrückt gewesen sein! Geistig umnachtet!«
    »Du konntest es nicht wissen.«
    »Aber ich hätte es wissen müssen !«
    »Er nahm dir deinen Namen, und so fing es an. Er hat dich nicht nur verführt, sondern auch verzaubert, Luri, seinen Einfluss langsam in dich sickern lassen, genau wie die Schwarze Perle es bei mir tat. Ich wurde ein Scheusal, und du hast alles vergessen und wurdest zu einer leeren Hülle, die Berenvil beliebig füllte. Wie du gesagt hast – wir wurden beide missbraucht.«
    Sie stieß ein

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