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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Zietsch
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nichts, auch wenn du mich dazu gebracht hast, mich selbst zu vergessen. Doch letztendlich war es gut für mich und meine Seele, denn nur so konnte ich endlich erkennen, was es bedeutet, Nauraka zu sein. Wer ich bin.«
    Sie öffnete die Hände in einer abschließenden Geste. »Aber ich kann und werde keinen Augenblick mehr länger mit dir verbringen, da ich nun die Wahrheit kenne, ich werde niemals wieder an deiner Seite leben, und ich werde mich auch nicht von dir benutzen lassen, um dein Reich zu erobern.«
    »Dann muss ich dich zwingen«, sagte er nach außen hin ruhig, doch tief in seinem Innern war er verunsichert. Was hatte sie nur vor?
    »Das kannst du nicht«, erwiderte sie, und diesmal mit entschiedener, klarer Stimme. »Niemand bestimmt mehr über mich. Ich bin frei!«
    Sie machte immer noch keine Anstalten, ihr Gewand zu schließen, im Gegenteil, damit forderte sie ihn weiterhin heraus.
    »Du willst Zeit gewinnen … weil dein Bruder flieht?«, stieß er hervor. Das beunruhigte ihn nicht weiter, er konnte Erenwin jederzeit wieder einfangen. Er wusste ja, wohin er gehen würde. Erenwin musste dem Drachenauge gehorchen, und Berenvil brauchte nur zu folgen.
    Da lächelte sie. »Er ist schon geflohen. Und nun bin auch ich fort.«
    Schlagartig wurde ihm klar, was sie vorhatte. Er machte einen gewaltigen Satz nach vorn, doch sie hatte sich bereits umgedreht und rannte auf ein Fenster zu.
    »Nein!«, schrie er. »Lurdèa, nein, tu es nicht!«
    Er hätte nie geglaubt, dass sie jemals dazu fähig wäre, dafür liebte sie das Leben viel zu sehr. Doch er hatte sich getäuscht.
    Die Wachen waren längst in Bewegung, aber die Entfernung war zu groß. Berenvil setzte ihr mit weiten Sprüngen nach, doch sie war schon zu weit entfernt, er würde sie nicht mehr rechtzeitig erreichen.
    Das Glas zersprang splitternd, als Lurdèa hindurchbrach. 
    Berenvil schrie noch einmal: »Lurdèa!«, doch da war sie bereits über die Brüstung gestürzt und verschwunden. Und an dieser Stelle lag kein See darunter, sondern nackter, scharfer Fels, und der Fall war sehr tief.

    »Los, sofort nach unten, wir müssen sie retten!«, befahl Berenvil den Wachen; er war außer sich. Wie konnte er sich nur derart täuschen lassen!
    Heftig atmend trat er durch das zerbrochene Fenster an das Geländer – und erstarrte.
    Er hatte sich geirrt. Die Täuschung reichte noch viel weiter!
    Mächtiges Flügelrauschen erklang, und er sah einen Daranil unter dem Fenster vorbeiziehen, mit Lurdèa in seinen Armen. Mit zwei kräftigen Schlägen gewann der Geflügelte rasch an Höhe und steuerte auf ein Wolkenschiff zu, dessen Planke ausgezogen war, und darauf stand Erenwin, um seine Schwester in Empfang zu nehmen.
    Die Wachen rannten auf den Wehrgang und legten die Armbrüste an, doch es war zu spät, sie hatten das Schiff bereits erreicht, die Entfernung war zu groß.
    Berenvil starrte ihnen nach, während das Schiff beidrehte und Kurs nach Westen nahm, auf die See zu, die im letzten Abendlicht golden glühenden Segel weit gebläht.
    »Ablenkung«, murmelte er. »Ich habe mich in meiner eigenen Falle gefangen. Diese Frau hat mich mit meinen Waffen geschlagen.« Er hob die Hände an sein Gesicht, um ein letztes Mal ihren bereits schwindenden Duft aufzunehmen, seine Zunge schmeckte ihre Süße noch auf seinen Lippen. »Ich bin wohl doch zu alt! In meiner Überheblichkeit glaubte ich, mir sei schon lange niemand mehr ebenbürtig. Und erst recht keine zarte Frau, die sich wollüstig unter meinen Händen wand, und der ich den Willen am Leben zurückgab, die ich als meine Schöpfung betrachtete, und an der ich ungezügelte Freude hatte.« Er schüttelte den Kopf. »Ah, das war … die schwerste, aber zutreffendste Lektion seit langem, und ich werde sie beherzigen.«
    Er drehte sich nicht um, als das Portal geöffnet wurde. Er erkannte jeden in dieser Burg am Gang, und erspürte seine Ausstrahlung.
    »Herr«, begann der Hauptmann der Wache, »wir haben …«
    »Ich weiß, was passiert ist«, unterbrach Berenvil. »Eine ärgerliche Störung.« Seine Wangenmuskeln zuckten, während er auf den nunmehr leeren, ausgebrannten Himmel starrte, dessen glitzernder Nachtschein vor dem tiefen Schwarz sichtbar wurde. 
    Dann straffte er seine Haltung. »Aber auch nicht mehr«, setzte er mit völlig veränderter, gewohnt heiterer Stimme fort, und er wandte sich dem Hauptmann zu. »Das braucht uns nicht weiter zu kümmern, wir werden uns bald alle an demselben Ort einfinden, und

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