Nauraka - Volk der Tiefe
um.
»Lurdèa«, sprudelte Eri los, kaum dass sie in ihrem kleinen Reich angekommen waren, »was, bei allen Salzdämonen, ist in dich gefahren?« Er nannte seine Schwester so gut wie nie bei ihrem vollen Namen, nur wenn er äußerst aufgebracht war.
Verständnislos blickte sie ihn an. »Ich dachte, du würdest dich mit mir freuen?«
»Freuen?«, rief er. »Worüber denn? Vater verkauft dich für siebzehn oder mehr Körbe und ein Halsgeschmeide, und du machst mit?«
»Er verkauft mich doch nicht, die Entscheidung liegt bei mir …«
»… dass du dich auch noch selbst verkaufst? Hast du überhaupt keinen Stolz?«
Sie runzelte die Stirn. »Erenwin, so mag ich dich nicht. Anscheinend hast du dein gutes Benehmen in der Tiefe gelassen.«
Eri versuchte sich zu beruhigen, obwohl es in ihm tobte. Am liebsten hätte er seine Schwester gepackt und die Dummheit aus ihr herausgeschüttelt. »Luri, du bist erst siebzehn Korallenringe alt. Wieso willst du dich so früh binden? Unsere Mutter war über einen Korallenbaum alt, unser Vater kaum jünger, als sie heirateten!«
»Ich finde es sehr romantisch«, meinte sie und hob die Schultern.
»D-das ist alles? Und wenn es nicht mehr romantisch ist, was dann? Du kannst nicht einfach wieder gehen, wenn du erst seine Frau bist!« Er war fassungslos. »Nur, weil du es für romantisch hältst, willst du da mitmachen? Merkst du denn nicht, dass du damit nur Vaters Willen erfüllst?«
»Er will das Beste für mich, das hat er selbst gesagt.«
»Aber nur deswegen bist du doch überhaupt auf der Welt!«
Darauf folgte ein langer Moment des Schweigens. Dann sagte Luri langsam: »Was, bitte, soll das heißen?«
Eri biss sich auf die Lippen. Es war zu spät, er hatte geredet ohne nachzudenken. »Ach, nichts«, wiegelte er ab. »Vergiss, was ich gesagt habe.«
»Nein, das werde ich nicht. Ich kenne dich überhaupt nicht wieder! Was ist nur mit dir passiert dort unten? Bist du wirklich noch du selbst, Eri?«
Er schoss nach oben, bremste erst kurz vor der Decke ab, und sank langsam wieder nach unten. »Woher soll ich das wissen, Luri? Ich wusste ja noch nicht einmal vorher, bevor ich in den Abgrund fiel, wer ich bin. Ich bin nur zwei Korallenringe älter als du. Wir kennen beide nichts von der See außer Darystis! Aber es existieren Dinge … bitte, hör doch auf mich! Sammle zuerst Erfahrungen, bevor du dich bindest …«
Sie blickte ihn mit verkniffener Miene an. »Ich hab wirklich gedacht, du würdest dich für mich freuen …«
»Worüber denn?«, erwiderte er leise. »In weniger als zwanzig Dämmerungszyklen bist du verheiratet und verschwindest in ein anderes Leben. Ich hatte ja nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken.«
»Daran trägt aber niemand Schuld. Außerdem hattest du doch selbst vor, beim nächsten Markt zu verschwinden! Und der ist in sieben Dämmerungszyklen. Denkst du, ich will allein hier zurückbleiben? Das halte ich nicht aus.«
Eri war wie vor den Kopf gestoßen. Hilflos sah er sich um. Hochdämmer war angebrochen, strahlendes Licht herrschte draußen, und die meisten Nauraka trafen sich zum gemeinsamen Mahl. So unbeschwert hatte er noch nie sein können. Wenn er sie um Rat fragen würde, so hätten sie alle keine Antwort. »Es tut mir leid«, sagte er tief betroffen. »Ich habe immer gedacht, du gehst mit.«
»Ich habe dir jedes Mal gesagt, dass ich das nicht tun werde! Deine Träume sind nicht meine.« Sie glitt mit ihren Fingern durch sein Haar. »Eri, ich dachte, du bist tot«, flüsterte sie. »Geror hat mir zwar gesagt, dass noch eine winzige Chance besteht, weil sie dich im Schlund des Urantereo nicht gefunden haben. Aber ich war außer mir vor Kummer. Und ich war wütend auf dich, weil du einfach ohne Abschied gegangen bist.«
Er ließ den Kopf sinken. »Verdammt. Luri, ich …«
»Und jetzt willst du mir sagen, dass unser Vater mich nur gezeugt hat, damit ich durch Heirat seine Macht ausweite?«
»Es ist … was er heute …«
»Ich weiß das doch, Eri, hältst du mich für dumm? Oder blind? Unser Vater tut nichts ohne Berechnung. Er hat unsere Mutter geheiratet, um Hochfürst zu werden. Denkst du, das genügt ihm? Er will doch genau dasselbe wie dieser Mann, der um meine Hand anhält. Aber sag mir ehrlich: Ist das verwerflich? Du kennst doch Onkel Turéors Geschichten. Wir sind ein vergessenes Volk, möglicherweise sogar von unserem eigenen Gott. Das muss sich ändern.«
»Das willst du auch?« Er sah sie groß an.
Luri nickte. »Du willst
Weitere Kostenlose Bücher