Nauraka - Volk der Tiefe
herauskamen, staunte Luri nicht schlecht. Sie badete im Sonnenlicht, tauchte durch die Strahlen und lachte über die Glitzerfünkchen an ihren Armen. Ihre Haut leuchtete wie zart getönte Seide mit Perlmuttglanz. Eri, der an der Schwelle zum Erwachsenen stand, hatte in letzter Zeit angefangen, die Mädchen mit anderen Augen zu betrachten. Er hatte sich in Darystis genau umgeschaut und auch auf dem Markt. Keine war so schön wie seine Schwester, sie übertraf selbst ihre sphärische Mutter. Lurdèa war ein kostbares Kleinod, und umso mehr Angst hatte er um sie, aufgestachelt noch durch Turéors Bemerkungen.
»Und jetzt erheben wir uns über die Grenze und schauen uns Sonne und Himmel an, wie die Landbewohner sie sehen«, erklärte er feierlich.
»Auf keinen Fall!«, wehrte sie erschrocken ab. »Das dürfen wir nicht, und wahrscheinlich sind wir dazu gar nicht in der Lage!«
»Ich habe es schon getan«, verkündete er triumphierend.
Sie starrte ihn an. »Du bist verrückt …«
»Es ist nur für einen Moment schrecklich, Schwester, aber dann … versuche es, ich bitte dich! Das wollte ich dir zeigen.«
»Aber warum soll ich das tun?«
»Weil du es kannst.«
»Du redest haarsträubenden Unsinn!«
Doch Eri war nicht mehr zu bremsen. »Fühle es!«, forderte er sie auf, dann packte er seine Schwester, bevor sie zurückweichen konnte, und tauchte mit ihr zusammen auf.
Sie strampelte, schlug mit weit aufgerissenen Augen um sich, schnappte und ächzte und rang nach Luft, bevor der Atemreflex der Lungen einsetzte, dann spuckte sie ihn mit einem Schwall Wasser voll. Er hielt sie fest, bis sie begriff, dass sie tatsächlich atmete. Reine, trockene Luft. Sie hörte auf, sich zu wehren und sah sich staunend um. Eri ließ sie los. Er selbst war durch Luri so abgelenkt gewesen, dass er gar keine Zeit für Panik gehabt und den Wechsel kaum mitbekommen hatte.
»Sag etwas«, scholl seine Stimme durch die sonnendurchflutete Grotte.
Luri sah ihn verwirrt an, hielt sich zuerst erschrocken die Ohren zu, dann nahm sie die Hände vorsichtig weg, öffnete den Mund, und heraus kam ein zaghaftes: »Es ist …« Sie verstummte wieder und lauschte dem Klang ihrer Stimme. Dann erhellte ein verklärtes Lächeln ihre Züge. »… wunderbar«, vollendete sie den Satz.
Gemeinsam schwammen sie an der Wasseroberfläche ein Stück weit aufs Meer hinaus, das blaugrün vor ihnen lag, überspannt von einem violetten, leicht glitzernden Himmel, an dem Lúvenors Auge prangte. Eri erzählte, was ihn hierher getrieben hatte – das letzte Gespräch mit Hallog, sein Wunsch festzustellen, ob er überhaupt jemals an Land gehen konnte, und so weiter. Mit keinem Wort erwähnte er sein Erlebnis am Markt, und dass Ragdur seinen Sohn verstoßen hatte. Aber die Begegnung mit der Nices gab er preis.
Luri neckte ihn sofort: »Dann suchst du wohl nach ihr? Ich kenne sie, das ist Luleemi, die Tochter des Grafen von Undar. Das liegt ganz in der Nähe. Alle sagen, dass sie die schönsten Brüste von hier bis zum Ende der See habe. Ich finde, sie haben recht. Was meinst du?«
»Ich … äh … habe nicht hingesehen …«, stotterte Eri peinlich berührt und bereute, was er erzählt hatte.
Luri lachte. » Jeder schaut da hin, Dummkopf! Also stimmst du zu.«
»Ich … ich habe keine Ahnung … woher auch …« Seine Ohren brannten wie Vulkanfeuer, wahrscheinlich leuchteten sie durch seine hellen Haare hindurch. »Außerdem geht dich das gar nichts an!«, schloss er angriffslustig.
»Schon gut«, sagte sie besänftigend. »Also, du hast es mir gezeigt. Und ich danke dir dafür, das ist wirklich eine unglaubliche Erfahrung. Ich … habe noch nie etwas so Besonderes erlebt, und ich bin glücklich. Es ist wie ein Brautgeschenk für mich, wertvoller als alle Edelsteine. Aber was ist der wirkliche Grund?«
»Heirate nicht«, platzte es aus Eri heraus, obwohl er vorher alles sorgfältig überdacht, geplant und vorbereitet hatte. Damit waren alle klugen Worte verpufft, noch bevor er sie ausgesprochen hatte. Andererseits brachte es genau auf den Punkt, worum es ihm ging.
Luris Augen verengten sich. »Eri, das geht wiederum dich nichts an.«
»Ich habe eine düstere Vorahnung«, fuhr Eri verzweifelt fort. »Du begehst einen schrecklichen Fehler!«
»Deine Eifersucht ist lächerlich.«
»Das hat nichts mit Eifersucht zu tun, sondern mit Sorge. Es quält mich schon die ganze Zeit. Tu es nicht, ich bitte dich! Ich kann es dir nicht erklären, aber ich spüre, dass du
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