Nauraka - Volk der Tiefe
Puls raste, seine Kiemen flatterten. In seinem Bauch kochte der Zorn, doch in seinem Nacken saß kalte Angst.
»Haben wir das nicht geahnt?«, erwiderte der alte Mann. »Deswegen sind wir doch hier.«
»Ich hatte so sehr gehofft, es würde anders sein. Janwe macht einen vernünftigen Eindruck … und seine Verehrung für dich ist aufrichtig.«
»Mhm. Wir hätten es auch schlimmer treffen können, Erenwin.« Turéor ließ sich ins Hängenetz sinken. »Oh, hervorragende Arbeit. Da kann ich sogar mein Schwert bei mir behalten.«
»Wir hätten es schlimmer treffen können?«, flüsterte Eri blass.
»Unschuldiges Glasfischlein«, murmelte Turéor und gähnte. »Dachtest du, dein Vater schickt dich in eine angenehme Verbannung? Dachtest du, alle Nauraka leben so idyllisch wie in Darystis … von den Verurteilten abgesehen? Wem hat das Volk dort es wohl zu verdanken?«
Eri riss die Augen auf. »Mutter?«
»Ich sagte dir schon, sie ist die letzte Hüterin. Einst waren die Frauen der Nauraka hochverehrt, von großer Weisheit und Bedeutung. Aber das ist lange vorbei. Lurdèa hofft, daran etwas zu ändern, deswegen hat sie der Heirat zugestimmt. Doch sie wird scheitern, wie wir alle.«
»Dann hättest du das nicht zulassen dürfen …«
»Nichts hätte es verhindern können, Junge. Wir konnten nur das Beste daraus machen, indem wir deine Schwester schützen.« Turéor öffnete ein Auge. »Wie gut bist du eigentlich im Schwertkampf?«
Eri hatte schon früh eine Ausbildung erhalten, wie in allen anderen Dingen. »Ich bin nicht mehr sehr geübt, Onkel. Auf der Jagd, mit der Armbrust, bin ich besser.«
»Ah. Dann haben wir beide viel zu tun, in der nächsten Zeit … und jetzt schlaf ein wenig.«
»Wie kannst du jetzt nur schlafen?«, rief Eri, doch sein Onkel antwortete nicht mehr.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als nach nebenan zu schwimmen, wo die Dienerschaft, zwei Männer und eine Frau, erschrocken in alle Richtungen davonschoss, als sie ihn bemerkte.
»Verzeihung, ich wollte nicht …«, setzte Eri an, doch sie tanzten eilig Unterwerfung und Entschuldigung, und gestikulierten hastig, sie nicht zu bestrafen. Er begriff, dass gesprochene Worte nicht angebracht waren, und gab beruhigende Gesten zurück, um ihnen klarzumachen, dass er nicht so war wie der Fürst. Er bedankte sich mit einem kurzen Tanz und entließ sie.
Verwirrt und voller Sorge wickelte er sich in sein neues Hängenetz – und war kurz darauf eingeschlafen.
Eri erwachte, als er die Druckwelle der sich öffnenden Tür spürte, und den veränderten Geschmack des Wassers, der von draußen hereinkam. Turéor war bereits auf und blickte vom Nebeneingang herein. »Also dann, ich habe Hunger.«
»Ich auch«, gestand der Prinz, und sie folgten der Wache in den Thronsaal, der festlich geschmückt und dämmrig beleuchtet war. An den voll beladenen Schalen, die an Genüssen tatsächlich nichts zu wünschen übrig ließen, waren die Damen und Herren des Hofstaats versammelt, die ihnen allerdings nur kurz zunickten, als die beiden Darystis an der rechten Seite zum Kopfende Platz nahmen. Kurz darauf erschien Fürst Janwe mit seiner jungen Gemahlin, beide prächtig herausgeputzt. Luri strahlte wie eine Meerfee, wunderschön und glücklich. Der Hofstaat verneigte sich vor ihr und applaudierte höflich, während sie an Janwes linker Seite Platz nahm.
Der jung getraute Gemahl hielt eine Ansprache, und dann durften alle zugreifen. Eri war heißhungrig, und es schmeckte köstlich. Seine Blicke schweiften durch den Saal, während er aß. Er lauschte den leisen Unterhaltungen und ließ die Wellenbewegung auf sich einwirken. Es störte ihn nicht, dass ihn niemand beachtete, das war er in Darystis auch nicht anders gewohnt gewesen. Die Überheblichkeit der Hofschranzen kannte er ebenfalls hinreichend, und ihre leeren Unterhaltungen nicht minder. Insofern schien Karund sich kaum von Darystis zu unterscheiden. Lediglich die Dienerschaft fiel Eri weiterhin auf, die sich in demütiger Haltung im Hintergrund hielt; zwar gut gekleidet, aber sicher nur deswegen, weil Janwe Gästen und Händlern seinen Reichtum präsentieren wollte. Doch Eri fielen die glanzlosen Augen auf, die furchtsamen Mienen, wenn der Fürst seine Blicke auf sie richtete und nach Bedienung verlangte.
Man konnte gegen Ragdur sagen, was man wollte. Er behandelte seine Diener zwar eher gleichgültig denn gut, aber eben auch nicht schlecht. Er konnte ihnen getrost den Rücken zukehren. In seinem
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