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Navy Seals Team 6

Navy Seals Team 6

Titel: Navy Seals Team 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard E. Wasdin , Stephen Templin
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unserem schwarzen Schlauchboot etwa 220 Meter hinaus in die Bucht von San Diego, bis wir zu einigen Pfählen kamen. Dort kippten wir das Boot um, drehten es dann wieder richtig hin (das sogenannte »Boot aufgeben«), paddelten zurück an den Strand und liefen dann mit den Paddeln zwei Kilometer den Strand entlang. Dann warfen wir die Paddel hinten in einen Lkw, bildeten im Wasser eine Menschenkette, paddelten 360 Meter mit den Händen, liefen 540 Meter, holten unsere Paddel wieder und paddelten 360 Meter in der Kette. Schließlich paddelten wir mit den Booten zu den Pfeilern und dann zurück zum Strand. Wir alle waren mittelgradig unterkühlt. Bei einer milden Unterkühlung zittert man leicht bis stark und hat ein Taubheitsgefühl in den Händen – die meisten Menschen haben dies schon einmal erlebt. Die Symptome einer mittelgradigen Unterkühlung sind heftiges Zittern, dazu leichte Verwirrung und Stolpern. Bei einer schweren Unterkühlung sinkt die Körpertemperatur auf unter 32 Grad Celsius, man zittert nicht mehr, sondern leidet unter Kälteidiotie. Danach kommt nichts mehr – nur noch der Tod. Die Ausbilder berechneten basierend auf der Luft- und Wassertemperatur genau, wie lange wir im Wasser bleiben konnten. Wir sollten so sehr frieren, wie es nur ging, ohne dass wir bleibende Schäden davontrugen oder starben.
    Vor der Klingel bildete sich eine lange Schlange. Meine Kameraden klingelten, als stünde Coronado in Flammen. Die Ausbilder hatten mehrere Krankenwagen bereitgestellt, ihre Türen standen offen. Drinnen saßen meine ehemaligen Klassenkameraden. Sie hatten sich in Wolldecken gehüllt und tranken heiße Schokolade. Ausbilder Stoneclam sagte: »Komm mal her, Wasdin. Du bist doch verheiratet, oder?«
    »Ja, das bin ich.« Ich war zu erschöpft, um mich zu bewegen, aber zittern konnte ich noch.
    »Du brauchst das doch nicht. Komm her.« Er ging mit mir zu den Krankenwagen, deren Wärme mir ins Gesicht schlug. »Hier hast du eine heiße Schokolade.«
    Ich nahm die Tasse. Sie war warm.
    »Wenn wir wollten, dass du eine Frau hättest, hätten wir dir eine zugewiesen«, erklärte er. »Geh da rüber und klingle. Bring’s hinter dich. Du darfst die heiße Schokolade trinken. Geh in den warmen Krankenwagen und wickle dich in eine Decke ein. Du musst das nicht mehr mitmachen.«
    Ich blickte zur Klingel hinüber. Es wäre so leicht. Ich muss nur dreimal an der Schnur ziehen. Ich dachte an die warmen Krankenwagen, die Decken und die heiße Schokolade. Dann hielt ich inne. Moment mal. Du kannst nicht klar denken. Du gibst doch jetzt nicht auf. »Hier bitte, Ausbilder Stoneclam.« Ich gab ihm die heiße Schokolade zurück.
    »Geh zurück zu deiner Klasse.«
    Noch nie war mir etwas so schwergefallen, wie ihm diese Tasse zurückzugeben. Ich will nur dorthin zurück, wo ich friere und wieder mal einen Tritt in die Eier kriege.
    Mike H. und ich gehörten zu einer sechsköpfigen Bootsmannschaft, doch dann stiegen die anderen vier aus. Nun waren wir nur noch zu zweit und mussten unser Boot, das gute 100 Kilogramm wog, zurück zum BUD/S-Lager schleppen. Die Ausbilder brüllten uns an, weil wir so langsam waren. Wir verfluchten die Aussteiger: »Ihr verdammten Arschlöcher.« Als Mike und ich im Lager ankamen, waren wir immer noch sauer.
    Obwohl die Aussteiger gerade noch unsere Kumpels gewesen waren, verfluchten Mike und ich sie jetzt, weil sie uns im Stich gelassen hatten. Das ist das Brutale am Training. Du findest heraus, auf wen du dich verlassen kannst, wenn es rundgeht. Nach diesem Mittwochabend stieg niemand mehr aus.
    Am Donnerstag saß ich frühmorgens in der Kantine. Sie werden mich schon umbringen müssen. Nach all dem, was ich durchgemacht habe, müssen sie mich schon in kleine Stücke schneiden und mich per Post zurück nach Wayne County/Georgia schicken, denn jetzt steige ich nicht mehr aus. In mir war ein Schalter umgelegt worden. Es war nicht mehr wichtig, was als Nächstes passierte. Es war mir egal. Irgendwann muss es vorbei sein.
    Da wir in unserer Umgebung keine Unterstützung bekamen und wir uns nicht einmal mehr auf unseren Körper verlassen konnten, gab uns nur noch der Wille, den Auftrag zu Ende zu bringen, Auftrieb. Dieser Auftrag lautete: die Höllenwoche zu überstehen. In der Psychologie nennt man dies Selbstwirksamkeitserwartung. Selbst wenn ein Auftrag unmöglich erscheint, kann uns unsere Willensstärke zum Erfolg führen. Doch wenn der Wille fehlt, ist der Auftrag zum Scheitern

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