Navy Seals Team 6
Storm dauerte nur 43 Tage. Wir waren wütend, dass wir nicht nach Bagdad gingen und die Sache zu Ende brachten. Die Kennedy legte in Ägypten an, wo wir unsere Ausrüstung abluden und in einem Fünfsternehotel in Hurghada eincheckten. Da jetzt keine Urlaubszeit war und in der Region gerade Krieg geherrscht hatte, waren wir die einzigen Gäste. Beim Abendessen schlug mir der Leiter unseres Platoons auf den Rücken. »Herzlichen Glückwunsch, Wasdin. Sie sind nun First Class.« Ich war von E-5 auf E-6 befördert worden. Das Leben meinte es gut mit Howard. Wir warteten zwei Wochen lang auf einen Rückflug ins schottische Machrihanish, wo unsere sechsmonatige Stationierung zu Ende ging.
Ich hatte keine Flashbacks, Albträume, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen oder Selbstzweifel, weil ich zum ersten Mal getötet hatte – ich hatte gesehen, wie der Soldat aus dem Wachturm der PLO geschleudert worden und leblos zu Boden gefallen war. In den Spezialeinheiten scheinen diese Gefühle nicht oft vorzukommen. Vielleicht wurden die meisten Männer, die für diesen Stress anfällig sind, schon in der Kampfschwimmerausbildung ausgesiebt und vielleicht bereitet uns der große Stress in der Ausbildung schon auf den großen Stress im Krieg vor. Ich hatte schon früh begonnen, meine Gedanken, Gefühle und meinen Schmerz zu kontrollieren, da ich nur so überleben konnte. Das half mir, mit den Anforderungen der Teams fertig zu werden. Ich hatte die traumatischen Erfahrungen mit der Gewalttätigkeit meines Vaters und die Höllenwoche ertragen und deshalb konnte ich auch den Krieg ertragen.
Trotzdem machte ich mir Gedanken, weil ich zum ersten Mal getötet hatte. Ich fragte mich, ob es richtig war. Im Fernsehen und in Videospielen sieht es so aus, als sei das Töten keine große Sache. Trotzdem hatte ich die Entscheidung getroffen, das Leben eines anderen Menschen zu beenden. Die Menschen, die ich getötet hatte, würden ihre Familien nie wiedersehen. Würden nie wieder essen oder auf die Toilette gehen. Nie wieder atmen. Ich nahm ihnen alles, was sie hatten oder je haben würden. Für mich war das eine große Sache und ich nahm es nicht auf die leichte Schulter. Auch jetzt nehme ich es noch nicht auf die leichte Schulter. Bei einem Besuch zu Hause sprach ich mit Bruder Ron. »Ich habe zum ersten Mal im Kampf jemanden getötet. War das richtig?«
»Du hast deinem Land gedient.«
»Wie wirkt sich das auf mein ewiges Leben aus?«
»Es wird keine negativen Auswirkungen auf dein ewiges Leben haben.«
Seine Worte spendeten mir Trost. Meine jüngste Schwester Sue Ann ist Psychotherapeutin und überzeugt davon, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ihrer Meinung nach kann ich nicht so normal sein, wie ich bin, ohne etwas zu verdrängen. Sie versteht einfach nicht, dass ich mit meinen Entscheidungen im Reinen bin und in geistigem Frieden lebe.
Unter den SEALs gibt es nur wenige Geheimnisse. Wir sind die ganze Zeit zusammen und kennen einander in- und auswendig. Ich wusste, welche Haarfarbe die Tochter eines Kollegen hatte, welche Schuhgröße seine Frau hatte und alles, was in seinem Leben los war. Ich wusste über die Männer mehr, als mir lieb war. Und ich wusste auch, wer sich für das SEAL Team Six interessierte.
Smudge, DJ, vier weitere SEALs aus dem Foxtrot Platoon und ich gaben unsere Bewerbungen für das SEAL Team Six ab. Smudge, DJ und ich bestanden die Bewerbungsphase, die anderen nicht. Ein Typ war besonders sauer, da er schon länger bei den SEALs war als ich. Unsere Bewerbungen wurden angenommen, und als der Master Chief des SEAL Team Six unseren Kommandobereich besuchte, führte er Bewerbungsgespräche mit uns. Eigentlich hätte nur einer von uns das Bewerbungsgespräch bestehen und in die nächste Bewerbungsphase vorgelassen werden sollen, doch wir bestanden alle drei – das bedeutete, dass bei einem anderen Team mehr Leute durchgefallen waren.
Wir bekamen einen Zeitrahmen genannt, in dem die Bewerbungsgespräche stattfinden sollten – sie wurden nämlich nur einmal im Jahr durchgeführt. Im Mai nahm ich an der wichtigsten Auslese in Dam Neck/Virginia teil, obwohl es normalerweise Voraussetzung für das Team Six war, dass man schon fünf Jahre bei den SEALs war. Während die SEALs auf die Gespräche warteten, waren sie so aufgeregt wie Kinder in Disneyland. Einige waren aus Schottland gekommen, andere aus Kalifornien, Puerto Rico oder von den Philippinen. Manche gingen nicht zum ersten Mal zu
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