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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Gefahr!“
    „Es ist … Iyen? Wo … Es … so dunkel … Hilf mir“, stammelte Rouven zusammenhanglos.
    „Die Dunkelheit ist keine Bedrohung, ein Lagerfeuer wäre gefährlicher für uns“, erwiderte Iyen in einem sanfteren Ton, als er beabsichtigt hatte. Rouven tastete wild nach ihm, und bevor sich Iyen entscheiden konnte, ob er es verhindern sollte oder nicht, war der junge Mann bereits zu ihm gekrochen und klammerte sich an ihm fest. Genau das, was er befürchtet hatte!
    „Bitte, ich … Es tut mir so leid …“
    „Schon gut, sei ruhig“, brummte Iyen. Er zögerte, gehorchte dann seiner Intuition, legte sich neben ihm nieder und nahm ihn fest in die Arme. Ein Fehler, er spürte es sofort: Ein Blitzschlag fuhr durch seinen Körper, bis direkt in seine Lenden. Er atmete mehrmals tief durch, um sich unter Kontrolle zu bringen. Der Junge brauchte Hilfe. Einen Beschützer, keinen weiteren Gewalttäter, der nach seinem Fleisch gierte.
    Er darf nichts davon spüren! Nur, wenn er mir vertraut, kann ich ihm helfen.
    Rouven zitterte am ganzen Leib, fand lange Zeit nicht zur Ruhe.
    „Hast du so starke Schmerzen oder frierst du?“, fragte Iyen schließlich verunsichert. Was, wenn er vielleicht doch etwas mitbekommen hatte?
    „Nein, ich … ich kann die Augen nicht schließen, ich sehe … Wenn ich einschlafe …“ Es klang so erbarmungswürdig, dass es Iyen innerlich wehtat. Er drückte ihn noch ein wenig fester an sich, wusste nicht, was er sonst versuchen könnte, um ihm zu helfen. Aber es schien Rouven gut zu tun, zumindest ließ das Zittern allmählich nach.
    „Dein Verstand ist deine stärkste Waffe, Rouven“, sagte Iyen. „Wenn du wach bist, kannst du mit seiner Hilfe deine Ängste kontrollieren, nicht wahr?“ Der Junge nickte gegen seine Brust. Im Reflex strich Iyen ihm durch das Haar, was Rouven zu seiner Überraschung zu beruhigen schien, denn er entspannte sich und atmete nun leichter.
    Distanz halten! Lass ihn nicht noch näher an dich heran!
    - Völlig unmöglich, beschied Iyen seiner eigenen Gedankenstimme ironisch. Ob er jetzt den Verstand verlor? Ich kann ihn nicht loslassen … Er braucht mich. Mühsam konzentrierte sich Iyen auf das, was er Rouven geben wollte, um überleben zu können.
    „Du kannst lernen, auch deine Träume zu kontrollieren. Und du solltest es schnell lernen, bevor deine Angst mit jeder Nacht weiter anwächst, bis sie dich zerstört.“
    „Aber wie?“, wisperte Rouven.
    „Man nennt es Klarträumen. Es ist eine der beiden Möglichkeiten für einen Oshanta zu überleben. Wer seine Träume nicht kontrollieren kann, verkraftet die Gewalt nicht, der wir von Geburt an ausgesetzt sind. Nur eines von zwanzig Kindern überlebt die ersten sechs Jahre bei der Bruderschaft. Die es schaffen, sind entweder von Natur aus so stark, dass sie sich nicht zerstören lassen, oder Klarträumer.“
    „Und was bist du?“ Iyen hörte das Interesse in Rouvens Stimme, es machte ihn froh und beeindruckte ihn zugleich. Der Junge war kaum der Gewalt entronnen und ließ sich trotzdem so gut auf ihn und seine Führung ein. Ein Zeichen von Kraft, die er brauchen würde.
    „Beides“, erwiderte er und zwickte ihn dann sacht.
    „Keine Fragen, du hast es geschworen!“ Rouven schwieg, blieb aber ruhig in seinen Armen liegen.
    „Klarträumen bedeutet sich bewusst zu sein, dass du träumst. Zuerst musst du aufwachen können, sobald du dich in einem Albtraum befindest. Beim zweiten Schritt versuchst du, deine Träume zu beeinflussen, veränderst oder verdrängst, was dich erschreckt. Träumst du, verletzt zu werden, machst du aus deinem Angreifer einen Freund oder einen deiner Brüder, der dich zu einem Ausritt abholen will. Nun gut – ich glaube, die meisten schaffen nur den ersten Teil, aber es würde helfen.“
    „Und der dritte Schritt?“, flüsterte Rouven gebannt. Iyen zwickte ihn wieder leicht als Ermahnung und fuhr dann fort:
    „Im dritten Schritt beherrschst du deine Ängste. Wenn dir im Traum etwas zustößt, kannst du dich dann bewusst entscheiden, zurückzugehen, an eine Stelle, wo noch nichts Schlimmes geschehen ist. Du weißt, was folgen würde, wenn du die Angst gewinnen lässt. Stattdessen befiehlst du deinen Angreifern, sich dir zu unterwerfen, oder fortzugehen, oder dich passieren zu lassen, ohne dich zu verfolgen.“
    „Wie lange dauert es, die dritte Stufe zu erreichen?“, fragte Rouven atemlos und nahm das Zwicken als gegeben hin. Iyen verwirrte diese beharrliche Neugier, doch

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