Nayidenmond (German Edition)
Zögern neben ihn.
„Ich gebe dich aus deinem Versprechen frei, du brauchst nicht länger jedes Wort umzudrehen“, begann er, als Rouven sich nicht rührte, noch nicht einmal, um zu essen. „Ich will nicht, dass du dich vor mir fürchtest.“
„Danke“, wisperte Rouven tonlos. „Ich werde es nicht ausnutzen.“ Er aß ein wenig, den Blick ins Leere gerichtet, trank den Tee und ließ sich dann nieder, um zu schlafen. Als Iyen sich entfernte, um den Toten zu versorgen, rührte er sich nicht. Mühsam schaffte er den Oshanta zum Bach hin. Er hatte weder das Werkzeug noch die Zeit, um ihn zu begraben, darum übergab er den Körper dem Wasser, wissend, dass das schmale Gewässer bald in einen breiteren Fluss mündete. Nach einem kurzen Gebet zu Harlys kehrte er zurück. Rouven lag noch immer so, wie er ihn zurückgelassen hatte, wofür er dankbar war, und setzte sich dann in Position, um Wache halten zu können. Er wollte ihn nicht ansehen, es würde ihn nur daran hindern, sein inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Einmal mehr ermahnte er sich, Rouven von sich fernzuhalten. Würde er noch eine Haaresbreite näher an ihn herankommen, wäre es zu spät. Für sie beide.
9.
„Wahrheit ist die gefährlichste aller Lügen.“
Sinnspruch, Urheber unbekannt
Hör nur, wie er quiekt! Wie ein Schwein.
Beeil dich, ich will auch noch einmal.
Geduld, er zappelt gerade so schön …
„Wach auf.“
Er sah Iyen, der in Traumgestalt zu ihm sprach, aber er hörte dieselben Worte noch einmal aus einer anderen Richtung, gesprochen von derselben Stimme.
Rouven schreckte aus seinem Albtraum hoch. Er konnte nichts sehen, spürte lediglich eine Hand, die auf seinem Rücken lag. Noch gefangen in seiner Erinnerung wimmerte er nur, versuchte sich wegzudrehen. Es sollte aufhören, endlich aufhören!
„Wach auf, dir geschieht nichts.“
Iyen.
Rouven hörte auf zu kämpfen und versuchte sich zu beruhigen. Dann setzte er sich auf, um sich zu orientieren: Es war noch stockdunkel, das Feuer war allerdings vollends niedergebrannt, es konnte also nicht mehr lange bis zur Morgendämmerung dauern.
„Wie lange habe ich geschlafen?“, murmelte er, mehr zu sich selbst. Er fühlte sich ausgeruht, trotz der abrupten Störung.
„Etwas mehr als sechs Stunden.“ Iyens Stimme klang wieder so kalt und distanziert wie eh und je. Als hätte es diesen langen Moment der Nähe nicht gegeben … Rouven verzog das Gesicht und stand auf.
„Lass mich den Rest der Wache übernehmen, du musst doch gleichfalls schlafen“, sagte er und streckte sich, um die letzte Müdigkeit zu vertreiben.
„Zu gefährlich. Wenn wir entdeckt und angegriffen werden, sind wir beide tot, bevor ich wach werde.“
„Wenn du nicht schläfst, wirst du auch nichts mehr tun können, sobald sie uns finden.“
„Ein Oshanta kommt lange ohne Schlaf aus.“ Iyens Gleichmütigkeit zerrte an Rouvens Nerven.
„Mir wirfst du vor, ich sei unvernünftig!“, knurrte er.
„Möchtest du mir etwas sagen?“ Rouven spürte, dass der Oshanta nun dicht vor ihm stand, sich wieder so lautlos und schnell bewegt hatte wie ein Raubtier; wirklich sehen konnte er nur Schatten. Ihm lief es eisig den Rücken runter, er blieb aber still stehen und suchte nach logischen Argumenten, die allein hier helfen konnten.
„Du hast geschworen, mich zu beschützen. Das kannst du nicht, wenn du zu erschöpft bist, um dich aufrecht zu halten.“
„Das wird nicht geschehen“, versetzte Iyen, doch es klang schon nachdenklicher.
„Wie lange brauchen wir denn dorthin, wohin auch immer wir gehen? Wie viele Tage und Nächte ohne Schlaf?“
„Etwa fünf Tage, abhängig von unserer Geschwindigkeit, dem Wetter und unvorhergesehenen Ereignissen.“
Rouven lächelte – jetzt hatte er ihn und er wusste es.
„Und wie viele Tage hält ein Oshanta ohne Schlaf durch?“
„Drei, vielleicht vier, wenn ich mich bis zum Zusammenbruch treibe.“ Iyen grollte verärgert, nahm seine Niederlage aber hin. „Gut, ich werde schlafen. Vermutlich ruhen unsere Verfolger auch, nachts können sie unseren Spuren nicht folgen. Kannst du mit einem Schwert umgehen?“
Rouven zählte bis zehn, um seine Jähzornattacke zu bändigen.
Nur eine Frage, das ist nur eine Frage, er meint das gar nicht so arrogant!
„Ja, ich denke, ich weiß, was ein Schwert ist“, erwiderte er mühsam beherrscht.
„Wie gut wurdest du im Kampf ausgebildet?“, hakte Iyen skeptisch nach.
„Ein wenig. Es wird reichen, um
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