Nayidenmond (German Edition)
ich seinen Gefährten bereits töten konnte, es sind noch mindestens zwei übrig, die in etwa einem Tag zu uns aufschließen werden!“
Iyen hielt den Gürtel bereits in der Hand, er war bereit, versuchte nun nur noch, seinen Zorn zu dämmen, sonst würde er Rouven möglicherweise doch verletzen. Es war sein letzter Versuch, ihn zur Disziplin treiben zu wollen, wenn das nicht half, musste er etwas anderes versuchen. Zur Not würde er ihn fesseln und knebeln. Er konnte ihn schließlich kaum jede halbe Stunde schlagen! Den Rücken musste er meiden, sonst würde Rouven anschließend nicht mehr aufstehen. Hassen würde er ihn wohl sowieso …
Verdammt, ich will das nicht!
Iyen hörte sie wieder, die Schreie aus seiner Vergangenheit. Ich werde ihm drohen. Der Schreck soll ihn lehren, was Schmerz nicht konnte. Rouven starrte ihn vom Boden her an, setzte mehrfach zum Sprechen an, offenkundig fassungslos. Iyen rechnete mit Trotz, mit Angstattacken, mit Betteln um Gnade, mit Versprechungen, dass so etwas niemals wieder geschehen würde, im schlimmsten Fall sogar mit Tränen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Rouven sich langsam aufrichten und in Kampfposition begeben würde, mit ausdrucksloser Miene und konzentriertem Blick.
„Ich habe keinen Gehorsam geschworen“, sagte er emotionslos.
„Soweit waren wir schon einmal heute. Du hast geschworen, dich nicht zu wehren, egal, was ich von dir verlange.“ Iyen ließ den Gürtel los und wartete, was Rouven jetzt tun würde. Der Junge war kein Gegner für ihn, aber es würde nicht schaden, sein Kampfgeschick zu erproben, um ihn besser einschätzen zu können. Es ging hier nur ums Überleben. Das durfte er nicht vergessen.
„Das stimmt nicht. Ich habe geschworen, keinen Widerstand zu leisten, egal, was du mir antun willst. Wenn du mich schlagen möchtest, bitte, wirf mich nieder, reiß mir das Hemd vom Leib und fang an, ich werde mich nicht wehren! Was ich nicht geschworen habe, ist, dass ich mich freiwillig hinlege und mich verprügeln lasse, oder was auch immer du mir sonst befiehlst!“
„Genau das hast du eben getan und es ist dir nicht schlecht bekommen“, erwiderte Iyen gereizt.
„Ich dachte, du würdest …“ Rouven brach ab, ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Du weißt, was ich dachte.“
„Und nun, da ich geschworen habe, genau das niemals zu tun, glaubst du, gegen mich kämpfen zu können?“, fragte Iyen geringschätzig.
„Nein. Ich weiß, dass du keine drei Herzschläge brauchst, um mich zu überwältigen, ich will nicht gegen dich angehen. Nur verteidigen oder ausweichen, solltest du mich angreifen, bevor ich fertig bin.“
„Fertig mit was?“ Er musste den Oshanta noch bestatten. Und das Rebhuhn drohte mittlerweile zu verbrennen, ihre letzte warme Mahlzeit für die nächsten Tage. Was wollte er denn jetzt, dieses verwöhnte Prinzlein?
„Erstens: Ich will nicht geschlagen werden. Ich will es nicht und du wirst mich damit nicht zu besserer Selbstbeherrschung bringen, sondern höchstens zur Rebellion. Es sei denn, du willst mich schlagen, bis ich daran zugrunde gehe. Ich schwöre, ich will dir gehorchen, wirklich! Bitte versteh doch, dass ich Angst habe und eben kein Oshanta bin.
Zweitens: Ich will, dass du mich aus meinem Versprechen entlässt. Wenn ich bei jedem Wort, das ich sagen möchte, dreimal überlege, ob daraus jetzt versehentlich eine Frage werden könnte, kann ich auch gleich ein vollständiges Schweigegelübde ablegen. Das wäre vermutlich leichter einzuhalten!
Drittens: Ich will nicht ständig das Gefühl haben, von dir bedroht zu werden. Diese dauernde Anspannung macht mich wahnsinnig!
Viertens: Es tut mir leid, dass ich nicht zum Lager zurückgegangen bin. Ich war wütend und ja, ich hatte daran gedacht wegzulaufen. Als ich wieder beisammen war, hatte ich Angst vor deiner Reaktion, darum wollte ich mich anschleichen und sehen, in welcher Stimmung du bist. Es tut mir leid, was daraus entstanden ist, ich weiß, es ist dir schwergefallen, ihn zu töten.
Fünftens: Nimm hin, dass ich ein verweichlichter kleiner Prinz von Irgendwo und dir weder in Kampf noch Überleben in der Wildnis gewachsen bin. Wenn du dich über alles, was ich nicht weiß und nicht kann, erregst, werden wir hier nie fertig.“ Rouven atmete heftig, als hätte er mit jedem Wort, das aus ihm herausgesprudelt war, um die Wette rennen müssen. Er starrte Iyen an, voller Zorn und Verzweiflung, und riss sich dann plötzlich das Hemd vom Leib. Er
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