Nayidenmond (German Edition)
ausdrucksloser Miene und eisigem Blick eine weitere Waffe zog und sofort angriff. Rouven duckte sich unter dem mörderischen Schlag, schaffte es dann, seinen Stand zu finden und sich zu verteidigen. Iyen schonte ihn nicht, Rouven kämpfte sich in einen hochkonzentrierten Trancezustand, in dem er blitzschnelle Attacken parierte, Finten entkam, unbarmherzige Hiebe auffing, so kraftvoll, dass sie seinen Schwertarm nicht nur ermüdeten, sondern ertauben ließen. Iyen war überall, seine Klinge blitzte im Morgenlicht. Irgendwann trieb Iyen ihn ganz nach seinem Willen über die Lichtung, warf ihn nieder, setzte so schnell nach, dass Rouven ihm nur mit Mühe noch ausweichen und wieder aufspringen konnte. Ein hoher Schlag zielte auf seine Brust, er wich aus, verlor seinen Stand. Jetzt konnte er nur noch reagieren, wehrte einige weitere harte Attacken ab, bis Iyen ihm schließlich das Schwert aus der Hand schlug.
Völlig erschöpft stolperte Rouven und brach in die Knie. Lichtpunkte flirrten vor seinen Augen, das viel zu rasch pumpende Herz jagte das Blut durch seine Adern, dass es in seinen Ohren rauschte. Die Brust schmerzte, weil er gar nicht genug Luft bekommen konnte, gleichgültig, wie hektisch er um Atem rang. Er spürte kalten Stahl an seiner Kehle und ließ sich nach hinten auf den Rücken fallen, dem Feind demütig ergeben. Noch immer vor Überanstrengung keuchend suchte er Iyens Blick. Der Oshanta ragte über ihm wie ein Turm, seine Schwertspitze nur einen halben Fingerbreit von Rouvens Hals entfernt. Sein Gesicht war nach wie vor unergründlich, er zeigte weder Wut noch Triumph.
Rouven schloss die Augen und wartete. Er wusste, dass dies eine Lektion gewesen war, Iyen hätte ihn schon lange vorher entwaffnen können. Wie das Urteil des Meisters ausfallen würde, konnte er allerdings nicht einschätzen. Als er endlich wieder ruhig atmen konnte, sein Puls sich beruhigt hatte und auch die krampfenden Muskeln nicht mehr zitterten, hob er langsam den linken Arm, wischte sich den Schweiß von der Stirn, sah zu ihm hoch und sagte mühsam:
„Ich bin besiegt, Herr, und ergebe mich.“
Iyen nickte und steckte das Schwert weg, offenbar hatte er genau diese Worte hören wollen.
„Du bist schnell“, erwiderte er, streckte Rouven eine Hand hin und half ihm aufzustehen. Er war noch ein wenig wackelig, konnte aber bereits wieder laufen.
„Trink“, befahl Iyen, drückte ihm den Wasserschlauch in die Finger, hob seine Waffe auf und kehrte dann zum Lagerplatz zurück. Während er aß, musterte er Rouven, der sich wieder weit abseits von ihm gesetzt hatte, so intensiv, dass es unangenehm wurde.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte er schließlich, wagte dabei nicht, dem kalten Blick des Kriegers zu begegnen.
„Ich habe gegen Dutzende Männer gekämpft, Männer, die als Soldaten oder Leibwachen hoher Adliger ausgebildet waren und für das Schwert lebten. Keiner von ihnen hat länger als neun Attacken durchgestanden. Du hast siebenunddreißig geschafft.“
„Du wolltest mich nicht töten und hättest mich auch schon viel früher unterwerfen können“, schwächte Rouven ab. Mit Lob hatte er nicht gerechnet, wie sollte er damit umgehen? Er war noch nie gelobt worden, sein Lehrmeister hatte stets etwas zu kritisieren gefunden. All seine Lehrmeister.
„Die letzten Angriffe, bei denen ich dich geschont habe, waren dabei nicht mitgezählt. Du bist schneller, als du sein dürftest!“
Die letzten Worte des Oshanta klangen so hart, so vorwurfsvoll, dass Rouven sich unwillkürlich zusammenducken musste. Als er an den Armen gegriffen und hochgerissen wurde, erstarrte er und blickte in Iyens blaue Augen, in denen ein Sturm zu toben schien, bis er sich abwenden musste.
„Du bist ein Prinz, dein Leben gilt dem Thron, nicht dem Schwert. Auch wenn du wohl niemals König werden wirst, ist es deine Aufgabe, deinem Vater und später deinen Brüder zu dienen und ihr Ansehen zu mehren. Sag mir also, Prinz von Kyarvit: Warum kämpfst du rund viermal besser als deine eigenen Soldaten?“
„So gut bin ich nicht!“, wehrte Rouven ab, „Und das ist keine falsche Bescheidenheit.“
„Sondern was?“ Iyen packte ihn am Kinn, zwang ihn, zu ihm hochzusehen. Rouven begegnete dem Misstrauen in dem Gesicht, das keine zwei Fingerbreit von seinem eigenen entfernt war, und straffte die Schultern, um diesem Blick standhalten zu können.
„Ein Soldat lernt anzugreifen, um zu töten, und sich zu verteidigen, sollte sein Gegner zu stark sein“,
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