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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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ihn mit Armen und Beinen von hinten und presste ihm die Hand auf den Mund, um jeden Laut zu verhindern. „Ganz ruhig!“, wisperte er ihm ins Ohr. Er spürte seine Angst, sein wild jagendes Herz unter seinem Arm, die raschen Atemzüge, die starr verkrampften Muskeln.
    „Ganz ruhig jetzt. Ich weiß nicht, ob er allein war. Wir werden hier warten, bis er den nächsten Schritt macht, er wird die Jagd nicht aufgeben.“ Rouven nickte und entspannte sich langsam und zögerlich. Als Iyen sicher war, es wagen zu können, nahm er die Hand von seinem Mund weg, hielt ihn aber weiter an sich gedrückt. Das schien ihm nur recht zu sein, Rouven beließ seinen Kopf an Iyens Schulter und schien sich dabei wohlzufühlen. Verwirrt blickte Iyen auf ihn herab, unsicher, ob er ihn nicht besser von sich stoßen sollte. Er wirkte erschöpft, seine Augen waren geschlossen. In diesem Moment hörte Iyen ein schabendes Geräusch in der Nähe, so, als ob ein Mann versuchte, sich möglichst leise durch das Unterholz zu zwängen. Sofort war Iyen wieder kampfbereit.
    „Hinlegen und nicht bewegen. Wenn ich nicht zurückkomme, wehre dich nicht, die Oshanta wollen dich lebendig“, hauchte er und löste sich von ihm – widerstrebend.
    Unter den Buchen war der Wald licht, nahezu frei von Unterholz. Iyen trat absichtlich auf einen trockenen Zweig, um den Oshanta zu sich zu locken, duckte sich dann hinter einen Baum. Es war ein sehr junger Krieger, den Iyen nicht kannte, gewiss erst seit zwei, drei Jahren Mitglied der Bruderschaft. Wenn überhaupt. Mit etwas Glück war er tatsächlich allein, womöglich hatte Iyen dessen Gefährten mit dem Wurfdolch verletzt oder getötet. Er wartete geduldig, durchdrang mit allen Sinnen die zunehmende Dunkelheit. Tatsächlich bemerkte er schon bald verstohlene Bewegungen, der junge Oshanta schlich sich lautlos heran. Iyen umrundete ihn ungesehen und fiel ihm in den Rücken. Diesmal konnte er ihn am Boden halten. Er presste ihm einen Dolch seitlich an den Hals und zischte:
    „Wo ist dein Kampfgefährte?“
    „Tot!“, fauchte der Oshanta zurück.
    „Die beiden anderen?“ Iyen erwartete keine Antwort, doch zu seiner Überraschung flüsterte der Junge nach kurzem Zögern: „Sie haben den längeren Weg genommen, wir wussten nicht genau, wo ihr aus den Grotten herauskommt und wollten euch nach Möglichkeit einkreisen.“
    Iyen drehte ihn gewaltsam herum, studierte aufmerksam die toten Augen, das leere Gesicht des Oshanta, so gut es bei diesem Licht möglich war. Irgendwo in den zerrütteten Tiefen gab es noch Angst um sein Leben, Hass und Zorn. Er konnte ihn nicht laufen lassen, der Junge würde sofort Selbstmord begehen, um sich ihm nicht unterwerfen zu müssen.
    „Möge Harlys dir gnädig sein“, flüsterte er ihm zu, ließ ihm den Augenblick des Verstehens. Der Junge nickte ihm zu, es wirkte dankbar. Egal, was das Königshaus bestimmte, die Oshanta hatten nie aufgehört, an die Totengeister zu glauben, und Harlys, die Herrin der verlorenen Seelen, war ihnen näher als der Gott, dem man in prächtigen Tempeln Statuen aus Marmor und Gold fertigte. Mit einer raschen Bewegung brach Iyen ihm das Genick, seltsam berührt von dem Wissen, dass er ihm gerade dadurch Gnade schenkte.
    Ein erstickter Laut ließ ihn hochfahren. Rouven stand hinter ihm, starrte erschrocken auf den toten Oshanta nieder.
    „Warum bist du nicht in Deckung geblieben, wie ich es dir befohlen habe?“, fragte Iyen scharf und ging langsam auf ihn zu.
    „Ich wusste nicht … Ich wollte nicht warten, wer mich aus meinem Versteck zerren würde, hilflos wie ein Kleinkind. Wenn ich dir hätte helfen können, irgendwie … Der Oshanta hätte mich sowieso nicht umgebracht, das hast du selbst gesagt!“, stammelte er. 
    „Du hast dich völlig unnötig in Gefahr gebracht, schlimmstenfalls hättest du mich behindert!“ Wütend packte er ihn am Arm und zog ihn mit sich zum Lager zurück.
    Rouven leistete keinen Widerstand, dennoch kühlte Iyens Wut unterwegs nicht ab, im Gegenteil, sie steigerte sich noch, als er sich ausmalte, was alles hätte geschehen können, nur weil dieser Narr glaubte, Befehle würden für jeden anderen gelten, für ihn nicht. Er stieß ihn neben dem Feuer zu Boden und fauchte: „Hemd aus, sofort! Du musst JETZT SOFORT lernen, dich zu beherrschen, wach endlich auf, Prinz von Kyarvit! Du bist auf keinem Jagdausflug! Gerade du müsstest wissen, wie gefährlich unsere Verfolger sind! Dem dort hinten sind wir nur entgangen, weil

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