Nayidenmond (German Edition)
sich neben dem Feuer nieder. Jarne wusste, er würde jedem Wort gierig lauschen.
Rouven schüttelte stumm den Kopf, hielt den Blick dabei abgewandt.
„Es ist also tatsächlich Liebe ? Oder wie muss man das zwischen euch beiden verstehen?“
„Ich weiß es nicht“, presste Rouven nach einem langen Moment des Schweigens hervor, das Gesicht von Trauer gezeichnet.
„Ich liebe ihn und habe gehofft, er würde … aber er hat mich abgewiesen. Ihr müsst das gesehen haben, unmittelbar danach habt ihr mich geschnappt.“
„Nein. Wir haben beobachtet, wie ihr euch erst geküsst“ – Jarne verzog missbilligend den Mund – „dann gestritten habt. Wir waren zu weit weg, um euch zu verstehen.“
„Es war der erste und einzige Kuss. Iyen wollte mich nicht.“
Jarne beobachtete verblüfft, wie offen der junge Mann seine Wut, Verzweiflung und Enttäuschung zeigte, wie vertraulich er mit ihm sprach. Rouven fürchtete ihn, aus gutem Grund, er hasste ihn, auch das war verständlich. Und doch vertraute er sich ihm gerade an wie einem guten Freund.
Er ist wirklich seltsam … Es ist so … Jarne fand nichts, womit er Rouven vergleichen konnte.
„Wenn Iyen jemals irgendetwas in seinem Leben haben wollte, dann dich!“, mischte sich Bero plötzlich ein. Rouvens Ausdruck wandelte sich bei diesen Worten rasch von Angst zu Wut und zurück zu Traurigkeit.
Hat der überhaupt keine Selbstkontrolle?, dachte Jarne verwirrt. Er war froh, als der junge Mann sich umdrehte und nun mit dem Rücken zu ihm saß.
„Er wollte mich nicht“, stieß Rouven heftig hervor.
„Iyen hat sich für dich zum Verräter gemacht. Er hat alles aufgegeben, was er jemals besessen hat, um dich in Sicherheit zu bringen. Glaubst du wirklich, das hat er getan, weil er sonst nichts mit seiner Zeit anzufangen wusste?“ Bero schnaubte vorwurfsvoll.
„Außerdem bist du sein Eigentum“, warf Jarne ein. Die Verwirrung in Rouvens Gesicht zeigte, dass er nicht verstand, was damit gemeint war.
Das hättest du ihm vielleicht sagen sollen, Iyen …
„Er hat dein Leben gerettet. Nach unserem Kodex gehörst du damit ihm, er kann mit dir machen, was er will. Es ist Iyens Art, auf diese Schuld zu verzichten, trotzdem, du bist sein Besitz, als wärst du ein Pferd, das er sich gekauft hat. Erst, wenn du sein Leben retten kannst, ist diese Schuld beglichen.“
„Aber mach dir keine falschen Hoffnungen. Ein Oshanta kennt nur eine Art von Ehre, und das ist, sich an den Kodex zu halten, egal, was es ihn kosten mag. Iyen hat mit seinem Dolch gezeigt, dass er uns nicht folgen wird. Das ist ein Versprechen, und er wird sich daran halten“, sagte Bero verächtlich.
„Nun, und selbst wenn er auch dieser Ehre entsagt hat – er könnte uns folgen, falls er die nächsten vier Tage und Nächte auf Schlaf verzichtet und rennt. Er weiß, wohin wir reiten, er weiß, dass wir die Pferde nicht zuschanden treiben werden und auf dich Rücksicht nehmen müssen, wenn wir dich am Leben erhalten wollen“, sagte Jarne. „Er wäre wahnsinnig, wenn er es auf einen Kampf ankommen lassen würde, sobald wir am Ziel sind, denn dann wird er so erschöpft sein, dass er kaum sein Schwert halten kann, geschweige denn, aus dem Hinterhalt zielsicher zwei Dolche zugleich werfen. Vermutlich hat er es vorgezogen, Selbstmord zu begehen.“
„Eben.“ Bero gähnte laut. „Er hätte dich niemals befreien können, lediglich sich selbst opfern, um es wenigstens versucht zu haben.“
„Anscheinend wurde ihm bewusst, dass ich die Mühe nicht wert gewesen bin, und dass er für mich stirbt, habe ich nie gewollt“, flüsterte Rouven. Er wandte sich Jarne zu und streckte ihm unterwürfig die Hände entgegen. „Darf ich schlafen?“, fragte er mit schwankender Stimme, bereit, sich fesseln zu lassen. Seltsam berührt griff Jarne nach dem Seil und band ihm die Hände so vor den Körper, dass sie nicht abgeschnürt wurden oder er Schmerzen leiden musste.
Ich muss aufpassen, sonst werde ich noch weich! Der ist wie ein Kind … Jarne hatte bereits Kinder getötet, gehörte aber nicht zu jenen Oshanta, die gerade daran Vergnügen fanden.
„Willst du ihn nicht vernünftig sichern, mit den Armen auf den Rücken, wenn du ihm schon die Beine freilassen willst?“, murrte Bero schläfrig.
„Hm, nein, der ist völlig ausgelaugt. Und du, Kleiner, falls du aufstehen musst , weckst du mich, verstanden?“
Rouven gab einen Laut von sich, der vermutlich Zustimmung bedeuten sollte. Dann senkte sich Schweigen
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