Nayidenmond (German Edition)
Gewalt ins Lager zurückschleifen, mit Gewalt zur Vernunft bringen, falls notwendig, dachte er voll bitterer Selbstvorwürfe. Aber alles hätte war jetzt sinnlos.
Lautlos schlich er näher heran und erspähte schließlich auf einer Lichtung, was er nie wieder hatte sehen wollen: Rouven in Beros und Jarnes Gewalt. Jarne hielt ihn mit dem Arm um den Hals umklammert, presste ihm einen Wurfdolch gegen die Kehle. Der verfluchte Nayidenmond erhellte die Nacht genug, um das Blut zu offenbaren, das über Rouvens Gesicht sickerte.
„Iyen! Komm und stell dich dem Kampf!“, schrie Bero, der sein Schwert mit beiden Händen umfasst hielt. Er stand Rücken an Rücken mit Jarne, gemeinsam drehten sie sich beständig langsam im Kreis, bereit für Wurfdolche aus dem Hinterhalt. Iyen könnte allerhöchstens einen von ihnen ausschalten, bevor er Rouven unrettbar verlor.
„Komm her, oder wir töten deinen Geliebten!“ Es lag erstaunlich wenig Verachtung in Jarnes Worten, oder Spott.
Neid?, dachte Iyen unwillkürlich, ließ sich davon aber nicht ablenken. Die beiden dort hatten nicht vor, Rouven zu töten, sonst hätten sie es längst getan. Zweifellos würden sie nicht zögern, ihren Köder und Schutzschild sterben zu lassen, doch das Ziel war es, ihn zur Quelle zu bringen. Zu beenden, was sie vor sechs Jahren begonnen hatten.
Ich kann nicht gewinnen. Ich kann nicht beide bekämpfen, solange sie ihn zwischen sich halten. Es gab nur eine logische Entscheidung. Sie würde ihm endgültig das Herz brechen, aber es war der einzige Weg. Langsam zog er einen Dolch, zögerte, dann holte er aus.
Rouven hing bewegungsunfähig in Jarnes Griff. Der Oshanta hielt ihn so fest, dass er kaum atmen konnte, zwang ihn dabei weiterhin, sich beständig mit ihm im Kreis zu drehen. Als beide Männer plötzlich verharrten, setzte sein Herz einen Schlag aus: Iyen, es musste Iyen sein, der angriff und damit in den sicheren Tod rannte! Doch als Jarne ihn unvermittelt zu Boden schubste, wo er hustend, nach Luft japsend auf den Knien liegen blieb, sah er nichts als einen einzelnen Dolch, der vor ihm lag.
„Weißt du, was das bedeutet?“, fragte Bero spöttisch. Rouven schüttelte den Kopf.
„Wenn ein Oshanta ein Duell verweigern will, wirft er einen seiner Dolche so zu Boden, dass die Klinge nicht in der Erde stecken bleibt. Dein Liebster hat dich im Stich gelassen, kleiner Prinz. Niemand wird kommen, um dich zu retten.“
„Er wird uns auch nicht folgen, denn dann hätte er die Klinge in den Boden hineingeworfen“, sagte Jarne. „Iyen hat dich aufgegeben und läuft vor uns davon.“
„Du bist jetzt ganz allein mit uns.“ Bero fesselte ihm die Hände auf den Rücken, während er sprach, zerrte Rouven dann in die Höhe.
„Freust dich nicht, uns wieder zu sehen?“ Er leckte ihm grob über das Gesicht, grinste kalt über Rouvens angewiderte Abwehr.
„Vorwärts, wir haben genug Zeit verloren!“ Jarne packte ihn am Arm. „Du wirst laufen. Keine Fluchtversuche, sonst wirst du bestraft. Panikattacken brauchst du weder zu erleiden noch vorzutäuschen, wir haben keine Zeit dich zu bespielen. Es ist ein weiter Weg zum Treffpunkt.“ Er zwang ihn beinahe im Laufschritt durch den Wald. Als er merkte, dass Rouven trotz der Warnung zögerlich auf ihn reagierte, schubste er ihn ohne Vorwarnung gegen einen Baumstamm, so heftig, dass Rouven sich schmerzhaft die Schulter prellte.
„Du wirst gehorchen, nicht vor Angst erstarren!“, knurrte er. „Du hast nichts zu befürchten. Beim ersten Mal stand fest, dass wir dich nicht lebendig übergeben konnten, nachdem du so schwer auf das Schlafgift reagiert hattest; andernfalls hätten wir uns das Vergnügen mit dir entsagt. Diesmal gibt es keine Gifte, kein Rausch- oder Schlafmittel. Du wirst essen, trinken, gehorchen und ersparst dir damit viel Leid. Andernfalls haben wir Mittel und Wege, dir wehzutun, ohne dich allzu sehr zu schwächen.“
Rouven nickte, er wollte sich nicht wehren, spürte nicht einmal wirklich Angst. Er war völlig betäubt von dem, was in zu kurzer Zeit geschehen war, um noch klar denken zu können. Er war dankbar dafür, dass Iyen sich nicht bei einem sinnlosen Befreiungsversuch selbst umgebracht hatte. Aber so ein deutliches Signal, dass er ihn nun vollends verloren gab, das riss ihn innerlich in Stücke.
Ich wünschte, es hätte nicht im Streit geendet. Der eine Kuss, besser, es wäre nicht dazu gekommen. Tränenblind ließ er sich auf ein Pferd setzen, blieb ruhig, als Jarne
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