Nazigold
net wissen kenna, wea des war. Un
drauf is dea Berger geerdigt worn aufm Gottesacker mitm Grabstein ›Unbekannt‹.
Hat ja koana net gwusst, wea des is. Un i hab nix gsagt.« Sie sieht Gropper
forschend ins Gesicht. »Aba sagns, wohea ham Se jetz des Foto von dem Berger?«
»Geheimnis.«
»I kann mias scho denkn. Da hoff i nua, dass Se net zvui dafüa
zahlt ham.«
»Kann ich die Grube mal sehen?«
Fanny führt Gropper hinter das Haus. Schon als er um die Ecke biegt,
umhüllt ihn eine Wolke aus Gestank, vermischt mit stechendem Ammoniakdunst.
In seiner Kindheit war er Jauchegestank gewohnt. Sie hatten hinter
ihrem Haus selbst eine solche Grube, die regelmäßig geleert wurde. Dabei
mussten sie alle Fenster und Türen schließen, sonst wäre der ekelhafte Gestank
tagelang in ihren Stuben hängen geblieben und auch durch Lüften nicht
hinausgeweht worden.
Der Kuhdung und der dampfende Misthaufen auf dem Hof rochen anders,
nicht so beißend, nicht so aggressiv. Oft genug hat er mitgeholfen, den
Stallmist auf ihre Felder zu fahren. In der frischen Luft roch man ihn kaum.
Aber dieser Pestgestank hier schlägt ihm direkt ins Gehirn, dass er
davon Kopfschmerzen bekommt. Die Jauchegrube vor ihm ist nur mit dünnen,
brüchigen Brettern zugedeckt, die lose kreuz und quer darüberliegen. Auch hier
rennen Kinder um das Haus, spielen Nachlaufen, springen lachend über die
lockere Abdeckung. Fanny befiehlt ihnen, das zu unterlassen, es sei zu gefährlich.
Doch sie verstehen sie nicht und rennen weiter.
Als Gropper eines der Bretter anhebt, schlägt ihm der ätzende
Gestank massiv entgegen und nimmt ihm den Atem. Er würgt. Fast muss er sich
übergeben. Seine Augen tränen. Die Grube ist bis zum Rand mit bräunlich
schwarzer Scheiße gefüllt. Nichts wie weg aus dieser Gestankwolke.
»Hat Eana des jetz was gnützt, was i Eana erzählt hab?«, fragt Fanny
zum Schluss.
»Eine ganze Menge.« Dankend schüttelt er ihre Hand.
Als Gropper in Richtung Lager wegfährt, schaut sie ihm noch lange
nach.
Mit den Worten »No admittance« weisen die Wachen Gropper am
Lagertor zurück. Er zeigt ihnen seine Legimitation als Kriminalkommissar, doch
sie wiederholen nur: »No admittance.« Er will ihnen klarmachen, dass er
dienstlich zur Lagerwaltung muss. Es hilft nichts, sie lassen ihn nicht rein.
Nur mit einer »Special permission« darf er das Gelände betreten. Gropper
überlegt, wer ihm diese Sondererlaubnis ausstellen könnte. Vielleicht Buchner,
vielleicht Sattler oder gar Theres? Bevor er dieses Papier nicht hat, braucht
er gar nicht wieder hier auftauchen. Heute kann er da aber sicher nichts mehr
ausrichten. Dazu ist das kommende Wochenende Pfingsten. Das Lagerbüro ist also
erst wieder am Dienstag geöffnet. Gropper verflucht diese Warterei. Er kommt
und kommt nicht voran.
Da fällt ihm ein: Er war noch gar nicht auf diesem Steinriegel, von
dem dauernd die Rede ist. Wie sehen denn die Anlagen da oben eigentlich aus?
Das will er sich morgen ansehen, in aller Frühe.
11
Wenn ma alle Weg wissat, ging ma net in
der Irr.
Kurz vor Einsiedl biegt Gropper mit Buchners DKW bei schönstem Sommerwetter rechts in den Forstweg
ein, der zum Steinriegel hinaufführt. Nur wenige Meter hinter der Abbiegung
steht auf zwei Pfählen ein großes Blechschild, durchlöchert von mehreren
Schüssen.
Halt!
Militärisches Sperrgebiet.
Betreten strengstens verboten.
Es wird ohne Warnung scharf geschossen.
Der Kommandeur der Jägerkaserne Mittenwald
Gropper schert sich einen Dreck um das ehemalige militärische
Sperrgebiet. Der Krieg ist seit über einem Jahr beendet, und den Kommandeur
gibt es nicht mehr.
Nach einer kurzen Strecke durch den Wald steigt der Weg an. Rechts
beginnt ein Hang in die Höhe zu ragen, links geht es hinter dichtem Gebüsch
abwärts. Während der Hang neben Gropper immer steiler wird, stößt die Erdwand
bald fast senkrecht an die Fahrspur. Die Steigung nimmt zu. Gropper muss mehr
Gas geben, um hinaufzukommen. Dazu neigt sich nun der Weg mehr und mehr nach
links zum Abhang hin und wird zur holprigen Furt. Wurzeln so dick wie
Autoreifen wachsen quer über die Spur. Vor und hinter ihnen haben sich
Wasserlöcher gebildet, deren Tiefe Gropper nicht abschätzen kann. Würde er den
Wagen mit Gewalt über die Wurzelsperren treiben, könnten sie ihm den Auspuff
abreißen, und die Räder versänken in einem der Wasserlöcher. So steuert er den
Wagen seitlich in eine kleine, schiefe Nische am Steilhang. Er schaltet den
Motor aus,
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