Nazigold
Moosfladen. So entstand ein Häuschen neben dem anderen.
Ein ganzes kleines Dorf. Und um das Dörfchen im Wald pflanzten sie einen
eigenen kleinen Wald, steckten herausgerissene Baumsprösslinge verkehrt herum
in den Boden, mit dem kleinen Wurzelwerk nach oben. Das waren dann die
Baumkronen. Als sie am nächsten Tag nach all ihren Mühen die Anlage zerstört
vorfanden, war die Enttäuschung groß. Eichkätzchen, Dachse oder gar
Wildschweine hatten bei ihrer Futtersuche alles durchwühlt und verwüstet. Da
begannen sie als Baumeister ihre Arbeit von Neuem.
An einer Weggabelung entdeckt Gropper auf einem Stamm einen Pfeil,
eingeritzt in die glatte Rinde.
Geht es in diese Richtung weiter nach oben zum Steinriegel? Er lässt
es darauf ankommen und folgt dem Pfeil. Man wird schon sehen.
Der Weg wird zu einem schmalen Pfad, wird steinig und steigt nun
plötzlich steil an. Hier beginnt nach und nach das Reich der Fichten und
Tannen. Es wird dunkler und kühler. Wasserläufe sprudeln ihm entgegen, bilden
breite Rinnen, formen sich an flachen Stellen zu schlammigen Lachen. Die
Steine, über die er ausweichen will, sind glitschig. Er rutscht mit seinen
Schuhen in ein Schlammloch hinein, steht bis zu den Knöcheln im Wasser. Als er
seine Füße herauszieht, sind seine Schuhe ein einziger Matschklumpen. Auch in
den Schuhen schwappt der Schlick. Am liebsten würde er die verschlammten Schuhe
ausziehen und barfuß weiterstapfen. Aber das geht nicht. So tapst er mit
klatschnassen Füßen weiter und hofft, dass die Pampe von allein abfällt und
seine Füße irgendwann wieder trocknen.
Für Feigl, Kilian und Nafziger mit ihren hohen Wehrmachtsstiefeln
wäre dieser schlammige Pfad kein Problem gewesen. Auch nicht für Rosi, sie
hätte diese Hindernisse geschickt übersprungen. Unmöglich aber, dass Berger mit
seinem BMW hier hochgefahren ist. Und er war
mehrmals zur Kontrolle oben bei den Gruben. Es muss also noch einen anderen Weg
zum Steinriegel geben.
Obwohl Gropper durch seine Anstrengungen der Schweiß auf der Stirn
steht und seine Kleider am Rücken kleben, durchrieselt ihn ein leichtes
Frösteln. Er bleibt stehen. Was will ich eigentlich da oben?, fragt er sich.
Was suche ich da? Die Lösung, wer Nafziger umgebracht hat, werde ich da oben
nicht finden. Völlig sinnlos, zum Steinriegel hinaufzusteigen. Wie geleerte Gruben
nach einem Jahr aussehen, kann er sich denken. Müll wird er finden. Müll in den
Gruben und in der Hütte, in der Feigl, Kilian und Nafziger gehaust haben. Die
Amerikaner haben alles ausgeräumt, dank der Dienste von Nafziger. Mag sein,
dass danach noch hundert andere alles nach möglichen Goldresten durchwühlt und
ihren Dreck hinterlassen haben. Auch Feigl und Kilian sind sofort nach ihrer
Entlassung auf den Steinriegel geeilt und haben sicher in ihrer Wut über die
leeren Gruben alles verwüstet.
Also umkehren, zurück nach Mittenwald, um keine wertvolle Zeit zu
verschwenden.
Trotz seiner Einsicht geht Gropper weiter. Warum, weiß er nicht.
Irgendetwas zieht ihn dorthin. Der Steinriegel wirkt auf ihn wie ein großer,
mächtiger Magnet.
Er kommt an eingefallenen Schützengräben vorbei. An den Wänden
hängen noch die Verschalungsbretter, und in den Gruben liegen rostige
Stacheldrahtrollen, überwuchert von Brombeersträuchern. Kreuz und quer liegen
Gerippe von Fichten, weiß wie Elfenbein. Feuchter Modergeruch nach Holz, nach
Pilzen und bitterem Laub umweht ihn. Der Boden unter seinen Füßen federt. Er
nimmt eine Handvoll des dunklen Waldbodens, zerkrümelt die Erde, legt verfaulte
Nadeln und Moose frei und Regenwürmer. Er lässt sie auf seiner Hand krabbeln,
dann schüttelt er sie zurück auf den Boden.
An einer felsigen Wand entlang führt ihn der Pfad immer höher
hinauf. Kniehohe Gesteinsbrocken ragen aus der Erde. Wieder hält er an. Die
Mulis hätten diese Hindernisse bei ihrem Aufstieg umgehen können. Aber die
Amerikaner mit ihren Jeeps wären hier nicht durchgekommen, als sie unter
Nafzigers Führung hinauffuhren. Auch sie müssen bei ihrer Fahrt hinauf und
zurück vollbepackt mit schweren Goldkisten und Geldsäcken einen anderen Weg
genommen haben. Womöglich eine ausgebaute Straße, die Nafzigers Vorgänger für
dieses Übungsgelände auf dem Bergrücken angelegt haben. Da es eine solche
Zufahrt geben muss, warum mussten sie dann die Goldlast mit Mulis
hinaufschleppen lassen? Mit ihren Kübelwagen hätten sie das viel einfacher
raufschaffen können. Vielleicht aber war dieser bequemere
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