Nazigold
der er glaubt, angelegt zu haben. Der Alte hetzt hinter ihm her
und schreit: »Xaver! Xaver!«, als wäre er irre. Gropper rast durch goldgelb
blühende Ginsterbüsche hindurch und steht plötzlich vor einer Grube, und neben
der Grube steht Feigl. Sie weichen voreinander zurück. Nun kommt auch der Alte
mit seinem Messer angerannt. In diesem Moment fällt Gropper nichts anderes ein,
als zu keuchen: »Die kannst sein lassen. Ist leer. Hat der Sattler ausgeräumt.
Kommst auch da zu spät.«
Feigl reagiert darauf nicht, er starrt ihn nur an. »Verfolgst mich
bis hierher!«
Gropper muss erst verschnaufen, ehe er wieder Luft hat.
»Ich muss mit dir reden.«
»Gibt nichts zu reden.«
»Xaver, sei vernünftig. Wir kriegen das noch irgendwie hin.«
»Was hin?«
»Die Sache mit Nafziger.«
»Da gibt’s nichts zu reden.«
»Und mit Kilian schaff ich das auch noch. Du musst nur mit mir
drüber reden.«
»Über was?«
»Über eure Entlassung.«
Xaver steht vor ihm, der Alte mit dem Messer hinter ihm.
»Mach’s!«, befiehlt Feigl.
Gropper dreht sich um, und in dem Moment sticht der Alte sein
spitzes, scharfes Filiermesser in Groppers linken Oberschenkel. Gropper schreit
auf und fasst sich ans Bein. Die Wunde brennt wie Feuer. Seine Hand ist nass
und dunkelrot, seine Hose voller Blut. Es läuft unter der Hose über seinen
Schuh und versickert im Boden.
Feigl droht: »Von hier kommst du nicht mehr weg. Mich kriegst du
nicht.«
Gropper will es nicht glauben, doch nun steht es fest: Feigl hat
Nafziger umgebracht. Aber der Beweis! Der Beweis!
Ihm wird schlecht vor Schmerz. Ihm wird schwindlig. Er sinkt nieder.
Kalter Schweiß steht ihm auf der Stirn, er kippt um.
Als er wieder zu sich kommt, sind die beiden weg. Er bleibt noch
eine Weile liegen, sieht vor seinem Gesicht Käfer im Gras krabbeln, Ameisen
über Halme klettern, kleine schwarze Spinnen dünne Fäden ziehen. Er ordnet
seine Gedanken. Was ist passiert? Als er aufstehen will, peitscht ein Feuer
durch sein linkes Bein. Er kommt nicht hoch. Er sieht seine blutdurchtränkte
Hose. Schlagartig hat er wieder das Messer des Alten vor Augen. Seine
schmerzende Schulter ist nun Nebensache. Er muss sich zusammenreißen, doch es
dauert lange, bis er sich aufrichten kann. Endlich steht er aufrecht, muss aber
warten, bis er sein Gleichgewicht wiedergefunden hat. Dann humpelt er los.
Durch diesen Überfall hat er völlig die Orientierung verloren. So
hält er sich möglichst immer in Ufernähe. Irgendwann muss diese hohe Eibe
auftauchen, an der Stelle am Ufer, wo er angelegt hat. Doch auf dieser Insel
gibt es viele hohe Eiben am Wasser. Dazu muss er vor Schmerz immer wieder
stehen bleiben. Er weiß nicht, wie lange er herumgeirrt ist, da sieht er
tatsächlich im Schilf seinen Kahn liegen. Er ist noch da, denkt er erleichtert.
Wenigstens das! Doch als er das Boot ins Wasser zieht, erkennt er geschockt,
dass an der rechten Bordwand eine Planke zertrümmert ist. Ein handbreites Loch
klafft im Kahn, knapp über der Wasseroberfläche.
Sie wollen, dass ich absaufe, ist sein erster Gedanke. ›Von hier
kommst du nicht mehr weg‹, hat Feigl gedroht. Es ist bereits Wasser durch das
Leck eingedrungen, und wenn der Kahn durch sein Gewicht tiefer ins Wasser
gedrückt wird, läuft er nach und nach voll. Doch was blieb ihm übrig? Nur mit
Mühe kann Gropper sein verletztes Bein über den Bootsrand schieben. Dabei muss
er darauf achten, dass der Kahn nicht zu sehr schaukelt und nicht noch mehr
Wasser eindringt.
Wie schaff ich es nur bis nach drüben?, fragt er sich verzweifelt.
Er rückt das Sitzbrett so zurecht, dass er seinen rechten Fuß gegen die Öffnung
stemmen kann, damit so wenig Wasser wie möglich in das Boot läuft und er
zugleich sein verletztes linkes Bein ausstrecken kann.
Er schaut auf den See. Noch liegt er ruhig und flach da. Er weiß, er
braucht eine Viertelstunde, um das Bootshaus zu erreichen. Bis dahin darf kein
Wind aufkommen. Wenn es Wellengang gibt, läuft der Kahn schneller voll und
versinkt, dann bleibt ihm nur Schwimmen. Und das mit dieser Wunde! Er wagt
nicht, darüber weiter nachzudenken, und beginnt die Überfahrt. Jetzt gilt es,
den rechten Schuh auf das Leck zu drücken, das linke Bein möglichst nicht zu
belasten und ruhig und gleichmäßig zu rudern, immer nur ruhig rudern. Kein
Schaukeln des Bootes, keine Veränderung des rechten Fußes.
Eine Weile geht das gut. Als er die Hälfte der Strecke zurückgelegt
hat, verkrampft sich sein rechter Fuß.
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