Nazigold
die Obduktion eine gewisse Zeit in
Anspruch nimmt.
»Wir hättn halt gern bald unsre Rosi wieder zurück«, klagt der Alte.
»Damit sie wieder bei uns ist.«
»Hab noch etwas Geduld«, tröstet ihn Gropper.
»Und warum bist du jetzt hier?«
»Ich muss mit dem Xaver reden.«
»Der ist nicht da.«
»Wo ist er denn?«
»Auf Sassau.«
»Und was macht er da?«
»Er holt Fisch vom Walchensee.«
»Dass die Amerikaner das Angeln verboten haben, stört ihn wohl
nicht.«
»Die Amis können uns mal.«
»Wann kommt er zurück?«
»Das kann dauern.«
»Dann fahr ich zu ihm.«
»Worum geht’s denn?«
»Um seine Freilassung.«
»Ach, die Sach. Ist das denn wichtig?«
Gropper will den alten Oberförster nicht beunruhigen. Aber er muss
fragen. »Wann wurde Xaver entlassen?«
Eine Weile schweigt Ludwig Feigl. Er scheint zu grübeln. Anscheinend
hat er Skrupel, Gropper das Datum zu nennen. Er druckst herum: »Ich bin sein
Vater. Und er ist mein Sohn. Und als Vater möcht ich nicht … Obwohl ich mich
mit ihm weiß Gott oft gstritten hab und mit seiner politischn Anschauung
überhaupt nicht einverstandn war und schon gar nicht damit, dass er zu diesen
verfluchtn Jagern gangn ist … Trotzdem. Ist doch mein eign Fleisch und Blut.
Ich kann doch nicht mein eign Sohn … Zuerst der Tod von unsrer Rosi, und jetzt
die Gschicht mit dem Nafziger.«
Gropper sieht, wie es im Kopf des Alten wühlt.
»Ich kann mir nicht denkn, dass er’s gtan hat. Mein Sohn macht so
was nicht. Er hat das nicht gmacht. Dafür kenn ich ihn zu gut.«
»Wirklich?«
Ludwig Feigl schüttelt den Kopf und sagt leise: »Nein.«
Gropper versucht, ihn zu beruhigen. »Es ist ja gar nicht sicher,
dass er es war. Wenn er’s war, wär’s aber das Beste, er würde ein Geständnis
ablegen.«
»Wenn er’s aber nicht war, braucht er auch kein Gständnis ablegn.«
Gropper legt seine Hand auf die Schulter des Alten. »Ich fahr jetzt
zu ihm.«
Er parkt Buchners DKW neben dem
Bootshaus, an dem ein altes NSU -Motorrad
angelehnt steht. Dass diesmal nur ein Kahn im Bootshaus aufgebockt ist,
erstaunt ihn nicht. Schließlich ist Feigl auf der Insel. Sattlers großes
Verbotsschild am Bootssteg stößt er um und wirft es ins Wasser. Dann zieht er
den Kahn aus dem Bootshaus und rudert hinüber zur Insel.
Die Wellen schlagen an die Planken des Bootes, und während er
rudert, denkt Gropper an den SS -Obersturmbannführer
Berger, der das Nazigold nach Mittenwald brachte, an Nafziger, der die Gruben
leerte, und an Sattler, der sich offenbar ebenfalls einen Teil unter den Nagel
riss und damit nun seine Getreuen aus dem Lager der Alliierten freikauft. Nach
und nach legt er sich eine neue Version der Walchenseelegende zurecht.
Es war einmal ein Diktator in Berlin. Und weil
ein anderer Herrscher sein Reich bedrohte und seinen Reichsbankschatz rauben
wollte, raffte der Diktator all sein Gold in eisernen Kisten zusammen und ließ
es mit Lastwagen in das Gebirge beim Walchensee bringen. Hier vergruben seine
Diener das Gold. Aber einer seiner Diener schaffte einen Teil davon auf die
Insel Sassau, um sich den Schatz anzueignen, sobald die Gefährdung des Reiches
vorüber war. Als er die Insel betrat, fand er dort eine wunderschöne weiße Nixe
am Strand liegend vor. Sie versprach ihm, seinen Schatz zu bewahren und jeden
Räuber in ihren See hinabzuziehen. Sogar bis in das Gebirge um ihren See herum
reichte ihr Fluch und würde die Räuber ins Verderben stürzen. Schon bald kam
ein anderer Diener des Reiches und raubte das Gold auf der Insel. Wieder andere
waren lüstern auf das gleißende Gold im Gebirge. So sprach die Nixe ihren
Fluch, und die Diener gerieten in gewaltigen Streit. Unterstützt von einem
neuen Herrscher, der es ebenfalls auf das Gold abgesehen hatte, schlugen sie
sich schließlich gegenseitig tot.
Während Gropper weiter zur Insel rudert, glaubt er, im Aufplatschen
der Wellen an die Bootsplanken die helle silberne Stimme der Nixe zu hören.
Begehrst du das Gold, tauch ich auf aus dem See,
hol dich hinab in die murmelnden Wogen.
In meinen Armen, so weiß wie der Schnee, ist dein
Goldtraum des Lebens verflogen.
»Ich will nicht das Gold«, ruft Gropper in den See. »Den Berger und
den Nafziger hast du dir ja schon geholt!«
Doch in seinem Kopf tönt weiter die Stimme.
Begehrst du das Gold, so komm mit dem Kahn. Ich
still auf dem Grund dein Verlangen.
Dann bist du mein, vorbei ist dein Wahn. Ich werd
dich auf immer umfangen.
»Ich will nicht das Gold«,
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