Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
Ich würde sie in dieselbe Kategorie einordnen wie die, eine Galerie auf Circe zu eröffnen. Denkst du auch nur eine Sekunde lang, dass die ECS nicht mehr nach uns sucht? Denkst du auch nur eine Sekunde lang, wir könnten locker durch die Polis rauschen, ohne Gefangennahme und Gedankenlöschung zu riskieren?«
»Aber Jay, Liebling …«
»Früher habe ich deine kleinen Launen und deinen spontanen Enthusiasmus genossen. Ich denke, das war in dem Augenblick zu Ende, als du aufgehörst hast, du selbst zu sein. Warum hast du das gemacht? Warum zum Teufel hast du das gemacht?«
»Jay, Liebling.«
»Fass mich nicht an! Du bist mir zuwider.«
Sie hatte einen Geschmack wie von Eisen im Mund und versuchte vergeblich, ihn loszuwerden, indem sie ausspuckte. Dass sie nicht mehr den Körper gehabt hatte, den er liebte, das verstand sie. Aber letztlich lag es halt daran, dass sie auch nicht mehr den gleichen Verstand hatte. Sie stieß ein trockenes Lachen aus und drückte sich Tränen aus den Augen. Aber tief im Herzen wusste sie, dass sie im Begriff stand, verrückt zu werden – weil sie schon zu lange in einem Körper lebte, der nicht der ihre war, weil sie zu viel Grauen erlebt und verursacht hatte, weil sie zu lange unter Außerirdischen gelebt hatte. Und weil sie letzten Endes einfach schon überhaupt zu lange lebte.
Janer stieg über die Trümmer der Tür und betrat die Kabine. Er bückte sich, hob den Stuhl wieder auf, an den sie Keech gebunden hatten, und trug ihn an den Schreibtisch zurück, der unter dem mit Messing gerahmten Portal stand. Er setzte sich und betrachtete forschend die beiden versiegelten Flaschen in dem Gestell, das an der Tischkante festgeklammert war. Beide enthielten mehrere rote, rhomboide Kristalle unterhalb einer klaren Flüssigkeit. Er entfernte den Spundzapfen aus einer der Flaschen und schnupperte an dem scharfen Geruch, der daraus hervortrat. Er erinnerte ihn ein wenig an kalten Kaffee, vielleicht vor dem Hintergrund von etwas, das verweste.
»Nur einen Kristall?«, fragte er.
»Ja«, antwortete die Schwarmintelligenz, und Janer fragte sich, ob er sich eine Spur Begehrlichkeit in ihrem Tonfall nur eingebildet hatte.
»Ich schätze, dass du ihn dir auf anderem Wege beschaffen wirst, falls ich ihn dir nicht heraushole.«
»Ja«, antwortete der Schwarm.
»Ich tue das nicht«, sagte Janer, steckte den Spundzapfen wieder hinein und klopfte ihn mit dem Zeigefinger fest.
»Warum nicht?«
»Weil ich jetzt weiß, was du im Schilde führst. ›Besorge mir eine Probe dieser ungewöhnlichen Substanz in Ambels Kabine. ‹ Hältst du mich für völlig blöde?«
»Das tue ich nicht.«
Janer lehnte sich zurück. »Warum möchtest du diesen Weg einschlagen?«, wollte er wissen.
»Macht«, erklärte die Intelligenz. »Man hat es früher schon mit Kurare probiert. Es hat nicht geklappt, und die fraglichen Hornissen wurden ausgelöscht. Der betroffene Schwarm hat sein Bewusstsein bis heute nicht zurückerlangt. Aber es ist der richtige Weg.«
»Das Gleiche könnte erneut passieren«, meinte Janer.
»Hier nicht«, erwiderte der Schwarm. »Hier haben wir eine primitive Gesellschaft. Es wird funktionieren.«
»Na ja, nicht mit meiner Hilfe«, beharrte Janer. Er stand auf, zog die kleine, juwelenbesetzte Schwarmverbindung aus dem Ohr und steckte sie sich in die Tasche. Er starrte auf die beiden Flaschen mit der Flüssigkeit, aus der sich reines Sprine herauskristallisierte, schüttelte den Kopf und verließ die Kabine. Sobald er draußen war, stieg er aufs Kabinendeck, um sich eine Geschichte anzuhören.
»Kapitän Sprage«, sagte Ambel und drehte sich zu Ron um. Ron, der an der Reling lehnte, nickte. Ambel wandte sich wieder dem Meer zu. Hinter ihnen hatten sich Keech und Erlin, Forlam, Pland, Peck und Anne auf dem Hauptdeck versammelt, und hinter ihnen wiederum der Rest der Besatzung. Sogar das Segel machte den Hals lang und hörte zu, was Ambel zu erzählen hatte.
»Er war es, der mich Ambel nannte, und ich habe immer gedacht, dass er Bescheid wusste.«
»Wir sollten ihn fragen.«
»Ja, das sollten wir – sofort. Bislang habe ich mich immer davor gefürchtet.«
»Hat das Ganze einen Sinn?«, erkundigte sich Keech rundweg. Er hatte den Blick nicht mehr von Ambel gewandt, seit er aufs Kabinendeck gestiegen war. Seine rechte Hand ruhte auf dem Griff der Impulspistole. In der Linken hielt er drei Stahlkugeln.
Ambel starrte ihn an. »Gosk Balem war erst ein Sklave und später Sklavenmeister. Er
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