Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
Metall der Sklavenspinne sichtbar geworden.
Mit einem kräftigen Wind in allen Segeln entfernte sich die Treader von den Atollen und fuhr auf die Tiefensee hinaus. Die Sonne versank in einer lautlosen chromgrünen Explosion, und dicke Wolken zogen hinter dem Schiff eine tiefere Dunkelheit über den Himmel. Keech zitterte an der Reling und tastete mit den Fingern den verletzten Arm ab.
»Tut’s weh?«, fragte Forlam mit übertriebenem Interesse.
Keech nickte und ballte die Hand zur Faust. Er wollte sich den kommenden Ereignissen voll einsatzfähig stellen. Bezüglich Ambels hatte er noch nicht abschließend entschieden – aber falls sein endgültiger Entschluss dem dieser Zusammenkunft widersprach, wollte er bereit sein und ihn auch ausführen können.
»Der Skinner bereitet Schmerzen«, sagte Forlam.
»Was du nicht sagst«, erwiderte Keech.
Forlam fuhr fort: »Es heißt, er hätte mal Peck erwischt und ihm vollständig die Haut abgezogen, und er wäre dann herumgerannt und hätte sie geschwenkt wie einen Overall. Peck ist seither nicht mehr der Alte.«
Das hätte Keech auch nicht erwartet. Er fragte sich außerdem, woher Forlams ausgeprägtes Interesse rührte.
»Warum hat man ihn so lange am Leben gelassen? Wusstet ihr nicht alle über ihn Bescheid?«, fragte er.
Hinter dem Schiff und zu beiden Seiten davon spiegelte sich ein gelber Schein im Meer, während Peck und Pland umhergingen und Lampen anzündeten. Keech sah sich an Bord um. Anne stand am Mast und schnitt Rhinowurm-Fleisch für das Segel zurecht. Janer und Erlin waren unter Deck gegangen, und Keech fragte sich, ob sie heute Nacht das Bett teilten. Vom Kabinendeck vernahm er das leise Murmeln von Ambel und Ron, die ins Gespräch vertieft waren. Ambel stand am Ruder: Seine riesige, massige Gestalt zeichnete sich vor dem Sonnenuntergang ab. Als Ron an seine Seite trat, konnte man sie kaum noch unterscheiden.
»Nicht alle wussten davon. Die andern haben’s für sich behalten«, sagte Forlam in einem Ton, als beklagte er, dass ihm die Lage eines Schatzes vorenthalten worden war.
»Wer wusste es dann?«, wollte Keech wissen.
»Vor allem die Alten Kapitäne.«
»Dem kann ich immer noch nicht entnehmen, warum diese Kreatur weiterleben durfte.«
»Ich schätze, das kannst du nicht.«
»Balem wusste Bescheid, und er hat nichts unternommen«, sondierte Keech.
Forlam wirkte abgelenkt, als er sagte: »Der endgültige Tod des Skinners – vielleicht war ein Beschluss der Zusammenkunft nötig, nicht nur der Kapitän Ambels.«
Keech sagte erst mal nichts weiter dazu; es lag auch jetzt kein Beschluss einer Zusammenkunft vor, den Skinner zu jagen und zu töten.
»Wie viele Kapitäne?«, fragte er.
»Dreiundzwanzig bei der letzten Zählung«, antwortete Forlam schnell, jetzt seltsam entrückt, während er mit großen Augen in die Dunkelheit blickte.
»Und euer Ambel ist einer der Angesehensten von ihnen.«
»Ja, das ist er.«
Keech nickte und wandte sich ab, um seine Koje aufzusuchen. Bei diesem Mann fühlte er sich unbehaglich, als stimmte irgendwas an ihm nicht ganz – eine interessante Einschätzung seitens einer Person, die bis vor kurzem noch eine wandelnde Leiche gewesen war. Außerdem war Keech müde, und ungeachtet aller Fragen und Zweifel genoss er diese Erfahrung. Selbst unangenehme Empfindungen waren besser als gar keine Empfindungen.
»Keine Aktion«, entschied der Hüter.
»Aber sie haben ihm einen Sklavenregler verpasst«, wandte die Sub-KI ein.
»Keine Aktion.«
»Aber es sind Verbrecher! Sie ist Rebecca Frisk. Ich sollte etwas unternehmen.«
»Keine Aktion.«
»Aber …«
»Ich kann dich jederzeit zurückrufen und stattdessen SKI 12 schicken«, deutete der Hüter an. »Sie verfügt ebenfalls über Chamäleonware – die übrigens von mir genehmigt wurde.«
Die Drohne erzeugte ein unklares Murren.
»Was war das?«
»Nichts, Hüter. Ich höre und gehorche.«
Der Hüter trennte die Funkverbindung und dachte über seine Möglichkeiten nach. Er trug die Situation mit einer niedrige Priorität ins ECS-Log ein und fasste kurz die Fakten zusammen, die gesichert waren. Das im Orbit explodierte Raumfahrzeug hatte anscheinend dazu gedient, das Eintreffen Rebecca Frisks auf Spatterjay zu tarnen. Und sie war kurz nach Sable Keech gekommen. Hier hatte sie ihre Söldner getroffen und sich auf die Suche nach dem Kontrollbeauftragten gemacht. Das alles wirkte ganz simpel, bis man sich daranmachte, ein paar weitere Faktoren zu
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