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Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Weg abgetrennt. Weiter hinten zeichneten sich große Schatten ab. Ein dumpfes Grollen drang von dort zu mir. Es klang wie das warnende Knurren eines Höllenhundes.
    Was war das jetzt? Lauerte da ein Monster auf mich?
    Ganz ruhig, sagte ich mir. Im Neandertal gibt es keine Monster. Mörder schon, aber Monster nicht.
    Wieder dieses Grollen. Es schien von den schwarzen Brocken da hinten auszugehen, die sich jetzt auch noch bewegten. Einer wurde größer, und er kam auf mich zu.
    Das Wildgehege!
    Das Neandertal war auch ein Wildpark. Soweit ich wusste, lebten hier Auerochsen und Wisente - Tiere, die es wohl auch zu Zeiten des Urmenschen gegeben hatte.
    Die Ungetüme im Dunkeln vor mir schnaubten. Ein warmes Aroma nach verdautem Heu und Mist legte sich über den Grasgeruch. Ich folgte dem Weg, horchte hin und wieder auf meine Verfolger, aber die Nacht war so still, wie es eine romantische Nacht im Bergischen Land nur sein kann.
    Bald war die Weide zu Ende. Neben mir rauschte ein Kornfeld. Irgendwo bellte ein Hund. Der Weg war jetzt asphaltiert, und weit hinten erschienen Straßenlaternen. In ihrem Lichtkegel waren Häuser zu erkennen. Eine Mauer. Dahinter vereinzelte rote Lichtpunkte. Ein Friedhof. Ein Stück Straße, schnurgerade, mit dichten Bäumen links und rechts.
    Ich stoppte, denn ich wusste plötzlich, wo ich war. An einer weiteren Station der steilsten Hauptbahnstrecke Europas. Wie in Hochdahl war sie von einem Park-and-ride-Platz flankiert.
    Ich blieb unter den Bäumen stehen. Wenn die Bullen nur einen Funken Verstand hatten, warteten sie auf dem Parkplatz auf mich. Ich durfte nicht auf der Straße weitergehen.
    Aber was sollte ich tun? Irgendwo hinter den Bäumen den Morgen abwarten? Und den Autofahrern, die auf den Parkplatz kamen und dann in die Bahn stiegen, auffallen? Wahrscheinlich würden morgen früh im Radio Neandertal und sonst wo Fahndungsmeldungen laufen. Ich hörte sie schon: »Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe. Gesucht wird der Wuppertaler Privatdetektiv Remigius Rott. Er ist etwa einen Meter fünfundachtzig groß, schlank und hat dunkles Haar. Keine Brille. Rott ist fünfundvierzig Jahre alt. Er wird verdächtigt…«
    Ich verließ den Weg und arbeitete mich durchs Unterholz. Abseits des Parkplatzes gelangte ich an den hoch gelegenen Bahndamm. Auf der anderen Seite, das wusste ich, lag die Ausfallstraße, die in Richtung Wuppertal führte.
    Ich tastete mich vor. Es ging durch Gestrüpp. Manchmal knisterte es unter meinen Sohlen. Weggeworfene Becher, Dosen. Chipstüten.
    Vor dem Hügel zu den Bahnschienen hinauf überwand ich einen Graben, der von Büschen und kleinen Bäumen zugewachsen war. Äste zerrten an meinem T-Shirt, schürften mir über die Haut. Schließlich war ich oben auf den Schienen.
    Zweihundert Meter weiter lag die gelb beleuchtete Haltestelle Millrath. Die beiden Bahnsteige waren menschenleer. Ich musste in die andere Richtung.
    Ich hatte keine Ahnung, ob so spät noch Züge fuhren - es war aber auf keinen Fall ausgeschlossen. Mir blieb also nicht viel Zeit. Ich rannte los.
    Die Schwellen waren nicht beleuchtet. Links und rechts des Dammes stand die Schwärze. Wald umgab die Bahnstrecke.
    Ich rannte und versuchte gleichzeitig, die Ohren offen zu halten, damit mich kein Zug von hinten erwischte. Wenn ich erst mal in den Lichtkegel der Lokomotive geriet, war es zu spät.
    Irgendwann überblickte ich ein freies Feld. Jenseits davon bahnten sich die einsamen Lichtstrahlen eines Autos ihren Weg.
    Ich verließ die Schienen und machte mich gerade darauf gefasst, mich wieder durch Äste und Sträucher arbeiten zu müssen, da näherte sich hinter mir mit rasender Geschwindigkeit ein Geräusch. Von Millrath her donnerte ein Zug heran. Ich duckte mich, und keine anderthalb Meter vor mir rasselten die Räder aus Stahl. Ohrenbetäubender Lärm ging von ihnen aus.
    Ich rannte dem Feld entgegen.
    Mitten auf der großen Fläche blieb ich stehen. Wieder ein paar Autos auf der Straße - etwa hundert Meter weit weg.
    Konnte ich es wagen, das Handy einzuschalten? Vielleicht warteten sie nur darauf, damit sie mich orten konnten.
    War es besser, an eine öffentliche Telefonzelle zu gehen? Aber wo gab es eine? Wahrscheinlich an einem der Bahnhöfe in Hochdahl oder Millrath. Sicher hervorragend ausgeleuchtet, sodass mich jeder, der vorbeifuhr, kinderleicht entdecken und identifizieren konnte.
    Ich musste es riskieren. Es musste eben schnell gehen.
    Aber andererseits: Konnte man Handys nicht abhören?

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