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Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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ich wieder zwischen den Stäben hindurch zum Polizeiwagen.
    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis drüben etwas passierte. Die beiden Beamten wurden munter. Irgendetwas wurde auf den Rücksitz geschleudert. Wahrscheinlich die Zeitungen. Es brummte, als der Wagen gestartet wurde. Ich duckte mich tiefer, und dann rollten sie an mir vorbei. Die Strecke betrug sicher zweihundert Meter. Sie mussten bis oben in den Wendehammer fahren.
    Ich zählte bis zwanzig, dann lauschte ich noch einmal, aber das Geräusch des Wagens war verstummt.
    Vorsichtig öffnete ich das Gartentor und sah mich um. Die Straße briet in der Mittagshitze.   
    Zwei Schritte, und ich war auf dem Gehweg. Ich holte tief Luft und drückte die Tür hinter mir zu.     
    Dann lief ich los.

9. Kapitel
    Ich hörte erst auf zu rennen, als ich am Fuß der Sadowastraße angekommen war und mich in die Friedrich-Ebert-Straße verkrümeln konnte. Das war aber auch nicht ungefährlich. Keinen halben Kilometer weiter lag meine Wohnung. Ich konnte jede Sekunde jemandem auffallen, der mich kannte und wusste, dass nach mir gefahndet wurde.
    Aber jeder, der bei dieser Affenhitze auf der Straße war, schien nur damit beschäftigt zu sein, möglichst schnell nach Hause oder wenigstens in den Schatten zu kommen. Wer Einkäufe durch die Stadt schleppte, hatte keine Lust, nach Bekannten Ausschau zu halten. Ich machte es genauso. Den Blick auf den Asphalt gesenkt, arbeitete ich mich voran.
    Am Neumarkt erwartete mich eine gigantische Staubwolke über einem weiten Trümmerfeld. Man hatte den Hertie abgerissen, und brüllende Bauarbeiter, Lastwagen und andere Baufahrzeuge machten das Verkehrschaos perfekt. Der Lärm von Presslufthämmern bohrte sich unerbittlich in die Köpfe der Passanten. Manche rannten bei Rot über die Gathe, genervte Autofahrer hupten. Gerenne, Geschrei. Ich atmete Bauschuttstaub. Das war keine Fein-, sondern brutalste Grobstaubbelastung.
    Ich wechselte die Straßenseite. Neben mir schob sich der Verkehr durch die Uellendahler Straße hoch in Richtung Anschlussstelle Elberfeld, vorbei an mehr oder weniger heruntergekommenen Restaurants, Tattoo-Läden, Fressbuden und Wohnsilos. Dahinter erhoben sich, von verschachtelten Bauten verdeckt, die Steilhänge des Tals.
    Als ich, verschwitzt und mit dem aufgewirbelten Dreck des Verkehrs bedeckt, in Sichtweite der Autobahnbrücke kam, fiel mir ein, dass ich nur wenige Minuten von dem grünen Paradies entfernt war, wo Marianne Kleiber und Manni wahrscheinlich gerade heftig miteinander flirteten.
    Jetzt bereute ich noch mehr, dass ich gestern so blöd gewesen war, mich auf das konspirative Treffen einzulassen.
    Du hättest Krüger anrufen sollen/, schrie ich mich innerlich an, als der Gemüsehändler an der Ecke zur Schleswiger Straße in Sicht kam. Auf der anderen Seite lag der Eda-Grill, wo ich mir hin und wieder ein Mittagessen gönnte - angereichert mit einer großen Portion von meinem Lieblingsgemüse: Fritten.
    Ich beschleunigte meinen Schritt, weil ich befürchtete, dass mich jemand erkennen könnte, und kurz darauf gelangte ich an eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt: eine der unzähligen Wuppertaler Treppen, die sogar in den Reiseführern erwähnt wurden. Warum, war mir nicht so ganz klar. Wahrscheinlich hatten die Leute aus dem Tal schon in der Steinzeit entdeckt, dass man größere Höhenunterschiede leicht durch die Aneinanderreihung von Stufen überwinden konnte. Eine geniale Erfindung - würdig, neben der Entdeckung des Rades in die Geschichte einzugehen. Man sollte bei der Stadtverwaltung eine Eingabe machen. Herr Bürgermeister, wo bleibt das Wuppertaler Treppenmuseum? Was die Solinger mit ihren Klingen hinkriegen, schaffen wir doch erst recht!
    Ehrlich gesagt, wäre es etwas peinlich gewesen, hätte man Touristen an die Wülfingtreppe geführt. Zwischen den Stufen wuchs Gras. Den Wanderer auf dem Anstieg zur Flensburger Straße begleiteten hässliche Graffitis, die noch nicht mal wohlmeinend als Kunst am Bau durchgehen konnten. Alle paar Stufen fand man Spuren der aufstrebenden männlichen Generation in Form von ausgespuckten Rotzplacken.
    Ich musste auf der Hut sein. Oben am Eingang des Hauses, in dem Krüger gewohnt hatte, konnte ohne Weiteres ein Polizeiwagen warten, vielleicht in Zivil. Aber als ich an den Flensburger Stuben keuchend die letzte Stufe nahm, war die Straße leer.
    Ich wusste nicht viel über Krüger. Ich glaubte, mich zu erinnern, dass er nicht verheiratet war und allein

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