Neandermord
lange Zeit Kalkstein abgebaut - als Baustoff und später für die Stahlherstellung. Es gibt übrigens heute noch ein Kalkwerk ganz in der Nähe.«
»Die Knochen waren also in Kalk eingeschlossen.«
»Nein. In den Felsen lag eine Höhle, die sich mit der Zeit mit Lehm gefüllt hatte. Und darin waren die Knochen. Die Arbeiter hatten die Aufgabe, die Höhle freizuräumen, damit man an den Kalkstein kam. Dabei sind sie auf die Knochen gestoßen. Und der Stein wurde abgebaut. Den Fundort selbst gibt es nicht mehr. Es wurde alles abgetragen. Man weiß aber, wo er lag. Hier ganz in der Nähe. Da ist heute nur noch eine Wiese.«
Ich tastete nach meinen Zigaretten. Weiter hinten, neben dem Panoramafenster, ging es zu einer Außenterrasse. Ich stand auf.
»Wo willst du hin?«, fragte Jutta.
»Eine rauchen. Da vorn geht’s raus.«
»Ich komme mit.«
Auf der Terrasse standen auch Tische, zum Teil unter Sonnenschirmen. Wir befanden uns auf dem Dach des Museums. Hinter einer Brüstung war die Gebäuderückseite zu sehen, die sich weiter rechts noch weiter nach hinten zum angrenzenden Wald schob. Ein ganz netter Platz.
Ich rauchte und pustete den Qualm in die Landschaft. »Es ist ja schön, dass ich im Rahmen dieses Falles etwas über die Ureinwohner des Düsseltals erfahre, aber das bringt uns nicht wirklich weiter.«
»Ich könnte was versuchen«, sagte Jutta. »Warte mal.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche. »In welcher Stadt ist die Zentrale der Schroffbach-Hotels?«
Ich überlegte, konnte mich aber nur an die bunten Internetbilder erinnern. »Keine Ahnung. Haben wir das überhaupt überprüft?«
Jutta verdrehte die Augen. »Also gut - dann muss es eben so gehen.«
Sie wählte eine Nummer. »Ja, guten Tag - ich suche die Zentrale der Firma Schroffbach-Hotels … Ja, danke …« Ein paar Sekunden später hielt sie das Mikrofon zu und flüsterte mir zu: »Ganz in der Nähe. In Düsseldorf.«
»Das war ja vorauszusehen«, murmelte ich.
»Wieso, wenn die Hotels in ganz Deutschland … Ja, verbinden Sie mich bitte.«
Wieder wartete sie. »Ja, hallo? Ich hätte gerne die Geschäftsleitung gesprochen. Ja, das Büro von Frau Schroffbach … Ach so, Entschuldigung. Hier ist Ahrens von Radio Berg. Es geht um einen Interviewtermin … In Ordnung, ich warte.«
Jutta zog schon wieder die Journalistenkarte. Das klappte fast immer. Aber was machte sie, wenn sie die Chefin höchstpersönlich am Draht hatte? Fragte sie sie, ob sie vorgestern zufällig im Neandertal gewesen war und auf einen Hauptkommissar geschossen hatte? Und ob sie sich daraufhin auch gleich noch in einen ehemaligen Spielclub verirrt hatte, um den Besitzer zu ermorden?
»Ja? Guten Tag - hier ist Ahrens von Radio Berg. Ist Frau Schroffbach zu sprechen?«
Natürlich kam vor der Geschäftsinhaberin noch mindestens ein Sekretariat.
»… kommt heute erst von einer Geschäftsreise zurück? Ja, es geht darum, dass ich Frau Schroffbach vorgestern Abend in Mettmann getroffen habe, und wir hatten vereinbart, dass ich demnächst ein Interview …«
Jutta wurde offenbar unterbrochen und machte große Augen. »Nein, hören Sie … das ist kein Missverständnis …«
Wieder unterbrach sie sich. Auf der anderen Seite wurde wohl gerade auf sie eingeredet.
»Ja, wenn Sie meinen … das tut mir leid. Radio Berg, ja.«
Jutta hörte wieder zu, dann nahm sie das Handy vom Ohr und drückte den roten Knopf.
»Das darf nicht wahr sein!«
Auch tot, dachte ich. Tot und begraben. Ermordet. Oder sie hatte einen Unfall. Ein Mord als Unfall getarnt. Und bald würde ich auch dafür geradestehen müssen …
»Die Vorzimmerdame sagte, Frau Schroffbach würde erst heute von einer Geschäftsreise aus Hamburg zurückkommen. Eine Verabredung mit ihr hätte es gar nicht geben können. Wenn das stimmt…«
»… scheidet sie als Täterin aus«, ergänzte ich. »Es ist, wie ich gesagt habe. Wenn sie da wirklich drinsteckt, hatte sie natürlich Helfer. Sie hat sich abgesichert.«
Jutta steckte das Handy weg. »Aber es muss doch irgendeine Möglichkeit geben.« Sie blickte düster der Wand aus grünem Laub entgegen. »Es muss einfach.«
Im selben Moment ging es wieder los. Diesmal wusste ich schneller, was passierte, aber die Besucher auf der Terrasse nicht. Alle drehten sich nach uns um, als in Juttas Tasche das Martinshorn losheulte.
Jutta brauchte lange, um nach dem Telefon zu greifen und den Anruf wegzudrücken.
Ich machte, dass ich zurück in das Gebäude
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