Neandermord
war.
Er wird es so aussehen lassen, als wenn du den Mord an Jutta begangen hättest, dachte ich. Ganz toll. Du hast ihm alles schön ordentlich so hingelegt, dass er nur zuzugreifen braucht.
Ich schlug vor Wut nach dem Zaun, dass es nur so rasselte. Rott, was bist du blöd.
Ich lachte laut auf. So was Bescheuertes. Als ob ich Jutta jemals etwas antun könnte! Ich hätte gerne mal gewusst, welches Motiv er mir unterschieben würde. Wahrscheinlich würde er irgendetwas konstruieren: Jutta hatte festgestellt, dass ich tatsächlich der Schuldige war, dass ich tatsächlich Krüger ermordet hatte. Und sie wollte zur Polizei gehen, aber ich musste sie ja irgendwie daran hindern. Und so weiter und so weiter. Die Dorau würde sich darüber freuen. Die Beförderung war gesichert.
»Na, junger Mann, einsam?«
Ich wandte den Kopf. Es war ziemlich dunkel geworden. Die Gestalt, die vor mir stand, war schlecht zu erkennen; sie wurde von hinten von einer der Straßenlampen beleuchtet, die mittlerweile angegangen waren.
Eine Frau offenbar. Langes dunkles Haar. Helle Hose. Eins von diesen bauchfreien Hemdchen, die Teenies seit einigen Jahren so gerne trugen. Sie bewegte den Kopf, und die Lampe beleuchtete ihr Gesicht. Ein Schreck durchzuckte mich, als ich ihre durchfurchte Haut sah. Sie hätte die Schwester von Rath sein können. Eine Greisin, die sich als junges Mädchen verkleidete.
Ich musste wissen, wo dieser Kotten wohnte. Ja, das war es! Ich musste zu ihm …
»Was hängst du hier rum? Du siehst ganz schön angespannt aus.« Die Frau zog eine Zigarette heraus. Als das Feuerzeug ansprang, beleuchtete die Flamme so tief eingegrabene schattige Falten, dass es mich gruselte.
Die Uhrzeit!
Noch fünf Minuten, bis ich eine neue Meldung bekam.
Meine Hand, die das Handy festhielt, zitterte.
»Was ist denn los?«, fragte die Frau wieder. »Was bist du so nervös?«
Ich machte nur eine abwehrende Bewegung. Auskunft, dachte ich. Die hatte Jutta vorhin schon mal angerufen. Die Wiederwahltaste.
Die Frau zog langsam an ihrer Zigarette. Eine Qualmwolke breitete sich aus.
»Bist du ‘n Bulle?«
»Nein, ich muss nur schnell was rauskriegen.«
»Und was?«
Das Handy am Ohr. Die Frauenstimme meldete sich.
»Ich suche einen Kotten«, sagte ich. »In Wuppertal. Die Adresse.«
»Vorname?«
»Weiß ich leider nicht.«
»Martin«, sagte die qualmende Frau. »Meinst du Martin? Den Chef von der Baufirma hier?«
»Moment«, sagte ich ins Handy und drückte das Funktelefon an die Brust. »Kennen Sie ihn?«, fragte ich die Frau.
»Ich hab manchmal Ärger mit ihm wegen meinem Wagen.« Sie deutete hinter sich, und ich erkannte etwas Weißes, das hinter der Ecke des Zaunes herausragte. Offenbar stand dort ein Wohnmobil.
Vielleicht irrte ich mich auch, und es war ein Lkw. Und die Frau war eine Fernfahrerin.
Ich hatte im Moment kein Interesse, der Frage auf den Grund zu gehen.
»Weißt du, wo er wohnt?«
»Klar. Der hat hier in der Nähe ein Haus. Erbschlöer Straße. Gleich hier aus der Otto-Hahn-Straße raus, dann links. Eins der ersten Häuser.«
Ich steckte das Handy weg. »Danke«, rief ich, als ich in Richtung meines Golfs losrannte.
»Nicht dafür«, sagte sie, und jetzt bemerkte ich einen leichten Hamburger Akzent. Von der Reeperbahn nach Wuppertal. Was für eine Karriere.
Breiter, gepflegter Vorgarten. Perfekt geschnittene Büsche. Ordentlich gemähter Rasen. Ein Natursteinweg führte zum Eingang.
»Kotten« stand an dem großen Briefkasten. Hinter der Glastür war es dunkel, und das blieb auch so, als ich dreimal auf die Klingel gedrückt hatte.
Hinter mir rasselte etwas. Leise, metallisch. Ein Mann führte seinen Hund aus. Ein fetter Dackel. Ein fetter Mann. Der Bierbauch hing wie ein Sack über dem Gürtel. Das T-Shirt spannte sich bedenklich.
Er sah mich misstrauisch an. »Wollen Sie zu Kottens?«
»Ja, ich muss dringend etwas abgeben«, log ich. »Sie scheinen nicht zu Hause zu sein.« Da der Mann im Plural sprach, ging ich mal davon aus, dass Kotten Familie hatte und dass alle zusammen hier wohnten.
»Da haben Sie Pech. Die sind doch in Urlaub gefahren.«
»Was? Aber ich habe doch noch heute Mittag mit Herrn Kotten gesprochen.«
Der Mann sah zu, wie sein Dackel an der Mauer des Grundstücks das Bein hob.
»Heute Mittag ist nicht jetzt. Ich hab genau gesehen, wie die vorhin das Auto gepackt haben. Vor einer Stunde oder so.«
Die Stimme des Unbekannten hämmerte plötzlich in meinem Kopf.
»In kürzester Zeit
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