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Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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einer schier endlosen Autoreihe vorbei, und endlich blieb Kotten vor einem schwarzen Volvo-Kombi stehen.
    Ich checkte die Umgebung. Wir waren allein auf weiter Flur.
    »Nun steigen Sie schon ein«, kommandierte ich.
    »Was haben Sie überhaupt vor?« Wieder war da dieser weinerliche Ton in seiner Stimme. »Wollen Sie mich entführen?«
    »Wir reden nur ein bisschen. Los, einsteigen.«
    Er brachte seinen massigen Körper auf dem Fahrersitz unter. Ich setzte mich neben ihn.
    »Stecken Sie den Schlüssel ins Schloss.«
    Er gehorchte, dann lehnte er sich zurück. Sein Gesicht wirkte wie das eines beleidigten Riesenbabys.
    »Ich habe nicht gesagt, dass Sie sich ausruhen sollen. Reden sollen Sie.«        
    »Worüber?«
    »Machen wir da weiter, wo wir stehen geblieben sind. Warum verlassen Sie Hals über Kopf das Land?«
    »Weil mir heute Mittag klar geworden ist, dass ich Urlaub gebrauchen kann. Ich bin der Chef. Ich kann selbst bestimmen, was ich tue.«
    »Und die Baustelle? Gibt’s da nicht genug zu tun?«
    »Darum kümmern sich andere. Ich habe Stellvertreter.«
    »Und haben Sie auch einen Stellvertreter,, der mir andauernd diese Nachrichten schickt?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Was ist auf der Baustelle passiert? Was ist dort los?«
    »Nichts. Nur dass wir ein bisschen in Verzug sind. Aber das ist normal. Das holen wir wieder ein.«
    »Haben Sie Probleme mit den Behörden? Mit Anwohnern, die sich über den Bau beschweren? Wie sind Ihre Auftraggeber an die Baugenehmigung gekommen?«
    »Weiß ich doch nicht.«
    Beweise, Rott! Du brauchst Beweise!
    Ich überlegte und überlegte, die Zeit verging, und da kam mir wieder die Theorie in den Sinn, die ich mir nach dem Besuch bei Rath zurechtgezimmert hatte, die mir aber jetzt ziemlich unrealistisch vorkam. Egal.
    »Haben Sie auf dem Grundstück etwas gefunden?«
    Kotten schwieg.
    »Sie haben dort etwas gefunden, geben Sie es zu. Irgendetwas, das den Bau verhindern kann. Oder zumindest verzögern.«
    Ich wurde abgelenkt, als Leute vorbeikamen. Ein schleifendes Geräusch von einem Koffer mit Rollen. Ein Mann mit Rucksack, eine Frau, die ihr Gepäck hinter sich herzog. Ich beobachtete sie im Rückspiegel des Wagens. Sie bemerkten uns nicht. Ihre Unterhaltung klang gedämpft.
    Und da nutzte Kotten seine Chance. Schneller, als ich es ihm zugetraut hätte, riss er die Tür auf und rannte los. Ich war im Nachteil, weil ich auf der anderen Seite aussteigen und den Wagen umrunden musste. Im Abstand von zehn, fünfzehn Metern liefen wir an den verdutzten Urlaubern vorbei.
    Ich erreichte Kotten am Eingang zum Hauptgebäude und packte ihn am Arm. Er wehrte sich, und fast wäre er mir wieder entwischt. Seine Haut war schweißig und glitschig.
    Ich zog die P1, verdeckte sie so gut es ging mit dem Jackett und rammte Kotten den Lauf in den Leib. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich nahm in Kauf, dass uns ein paar Leute zusahen.
    Kotten stand stocksteif da und bewegte sich nicht.
    »Das ist eine geladene Pistole«, klärte ich ihn auf. »Zurück zum Wagen, und zwar plötzlich, sonst drücke ich ab.«
    »Ich habe damit doch nichts zu tun«, jammerte Kotten. Noch mehr Leute guckten herüber. Einige blieben sogar stehen und schüttelten den Kopf.
    »Kein Wort mehr.« Wir gingen los. Eng aneinander.
    »Lächeln«, flüsterte ich und grinste unser Publikum an. Ich bohrte den Lauf zwei Zentimeter weiter in Kottens Fleisch, und wie auf Kommando verzerrte er das Gesicht. Endlich waren wir wieder am Wagen.
    Kotten ließ sich wie ein erschöpfter Boxer in den Sitz fallen. Hinten am Eingang sprachen einige der Leute, die uns bemerkt hatten, mit einem Sicherheitsmann. Jetzt deutete jemand in unsere Richtung.
    »Losfahren!«, schrie ich. 
    Der Schlüssel steckte noch. Kotten griff zu, träge wie ein müder Bär.
    »Nun mach schon!«
    Er ließ das Auto an und setzte langsam zurück. Der Sicherheitsbeamte näherte sich in Geschwindmarsch.
    »Geht das auch ein bisschen flotter?«
    Endlich hatte Kotten das Fahrzeug auf die Gerade gebracht.
    »Gas geben! Zum Ausgang!«
    Wir gewannen Tempo und rasten an dem Uniformierten vorbei. Es ging um einige Kurven. Dann bremste Kotten hart vor der Schranke.
    »Was jetzt? Meine Frau hat die Karte. Und wir haben gar nicht bezahlt.«
    »Verdammte Scheiße!«, brüllte ich. »Gib halt Gas!«
    »Aber … aber …«, stammelte er.
    Ich zog die P1 heraus und hielt sie Kotten ans Kinn.
    »Rückwärtsgang. Fünf Meter Anlauf. Und ab die Post!«
    Kotten

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