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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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übellaunig, zynisch und von mehr als derber Ausdrucksweise – so anziehend fanden. Ach was, Charlie, dachte er, während er darauf wartete, dass das Wasser kochte, so ganz chancenlos bist du schließlich auch nie gewesen.
    Da war Marian Witczak, die nur darauf wartete, dass er in ihre verschrobene Welt eintrat, es aber natürlich sorgsam vermied, ihn selbst einzuladen, und entsprechende Winke lieber ihren alten Freunden im Polnischen Klub überließ. Da war Claire Millinder gewesen, die Immobilienmaklerin,die sich erfolglos bemüht hatte, ihn aus diesem viktorianischen Mausoleum herauszulocken und in kompaktere, modernere vier Wände zu verfrachten, mit Mikrowelle und Sperrholztüren, die man mühelos mit der Faust durchstoßen konnte. »Was erwartest du denn, Charlie? Die große Liebe?« Das Letzte, was er von ihr gehört hatte, war, dass sie nach Neuseeland zurückgekehrt war. Er hatte eine Karte von der Bay of Plenty bekommen, wo sie und ihr Liebhaber, ein Obstzüchter, Kiwis anpflanzten und Kinder aufzogen.
    Zu seinen Füßen beschwerte sich Bud mit leisem Miauen, als Dizzy sich über seinen Napf hermachte. Resnick packte den großen Kater und setzte ihn in den Garten hinaus.
    Vielleicht musste es doch nicht die große Liebe sein, oder Liebe überhaupt.
    Er schenkte sich einen kleinen Scotch ein, einen fünfzehn Jahre alten Springbank Single Malt, den er bei der Weihnachtstombola gewonnen hatte, und nahm ihn zusammen mit dem schwarzen Kaffee mit ins Wohnzimmer.
    Pam Van Allens Nummer stand im Telefonbuch. Nachdem er die Stereoanlage heruntergedreht hatte, wählte er. Wie lange war es her, dass er zu ihrem ersten und letzten Zusammentreffen in diese Weinbar gegenüber dem Billardsalon getreten war? Sicher noch kein Jahr. Sie hatte allein an einem Tisch nahe der Wand gesessen, vor sich ein aufgeschlagenes Buch und ein Glas Wein, sich selbst völlig genug. Er wusste, dass es ein Fehler war, sie jetzt anzurufen, ein krasser und dummer Fehler, doch sie meldete sich, bevor er wieder auflegen konnte.
    »Hallo?« Die Unzugänglichkeit allein in diesem einen Wort.
    »Oh, Pam Van Allen   …?«
    »Ja?«
    »Charlie Resnick hier.«
    »Wer?«
    »Inspector   –«
    »Was bilden Sie sich ein, mich zu Hause anzurufen? Und auch noch heute, an einem gesetzlichen Feiertag!«
    »Ich weiß, und es tut mir leid, aber wenn es nicht wichtig wäre   –«
    »Kommen Sie zur Sache, Inspector.«
    »Es handelt sich um Gary James, er ist einer Ihrer Klienten, soviel ich weiß   …«
    »Und ich bin morgen Vormittag in meinem Büro. Falls Sie nicht auf Informationen aus sind, die Sie nichts angehen, können Sie mich dort erreichen.«
    Und damit war das Gespräch beendet. Resnick starrte den Telefonhörer an, als wäre er schuld an Pam Van Allens schlechter Laune, dann legte er sorgsam auf. Obwohl er eigentlich kein Whiskytrinker war, kippte er den Inhalt seines Glases in einem Zug hinunter. Mit einer derb heiteren Coda schloss Barney Kessels »Twelfth Street Rag«. Es war still im Zimmer. Resnick kraulte Pepper mit einem Finger hinter dem Ohr, bis der Kater zu schnurren begann.
     
    Er war wieder in der Küche und hobelte mehrere Tage alten Stilton auf eine Mischung aus Entenfleisch und Tomaten, als das Telefon läutete.
    »Ich möchte mich entschuldigen. Sie haben uns mitten in einem Riesenkrach erwischt.«
    Das »Uns« hinterließ einen unangenehmen Nachhall bei Resnick. »Schon gut«, sagte er.
    »Aber der Familienkrach zu Weihnachten gehört ja zur Tradition«, fuhr Pam Van Allen fort, und er meinte beinahe, sie lächeln zu sehen.
    »Und wie sieht es jetzt aus? Ich meine, können Sie reden? Wenn Sie gerade mitten in irgendeiner   –«
    »Nein, schon in Ordnung. Einen Nachschlag wird’s nichtgeben, denke ich. Ich bin im Schlafzimmer und hole tief Luft.«
    Resnick versuchte, sich die Situation vorzustellen, beschloss, das lieber nicht zu tun.
    »Sie wollten mit mir über Gary James sprechen?«
    »Eigentlich wollte ich Sie eher etwas bitten.«
    »Aha.«
    »Ich dachte, wir könnten ein paar Informationen austauschen.«
    »Austauschen?«
    »Natürlich.«
    Dieses Mal hörte er sie lachen. »Finden Sie nicht, dass es für gute Neujahrsvorsätze ein bisschen früh ist, Inspector?«
    »Charlie?«
    »Wie bitte?«
    »Ich heiße Charlie.«
    »Inspector kommt mir leichter über die Lippen.«
    Alle weisen Entschlüsse vergessend folgte Resnick seiner Phantasie in das unbekannte Schlafzimmer und sah sie mit einem Berg Kissen im Rücken auf dem

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