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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hinterlassen, aber bis jetzt hat er sich nicht gemeldet. Wahrscheinlich hat er dienstfrei.«
    Resnick stand auf, knüllte die Papiertüte zusammen, fegte Krümel von seinem Mantel. »Hoffen wir, dass Sie nicht bis nach Neujahr warten müssen.«
    Als sie durch den Torbogen zur breiten Straße hinausgingen, kam Lynn auf Gary James’ Bewährungshelferin zu sprechen. »Ich bin sicher, Pam Van Allen wäre eher bereit, mit Ihnen zu reden als mit mir. Und man weiß ja nie, vielleicht kann sie uns auf die Sprünge helfen.«
    Resnick nickte wenig enthusiastisch. »In einer halben Stunde kommen Nancy Phelans Eltern zu mir. Aber danach werde ich mal mein Glück versuchen.«
    Dank den Feiertagen war der Verkehr so dünn, dass sie es, ohne stehen bleiben zu müssen, über die vierspurige Fahrbahn bis zur Insel in der Mitte schafften. Ein staubiger grauer Ford Prefect, dessen eine Tür andersfarbig lackiert war, bog gerade zum Parkplatz neben der Dienststelle ab: Mr und Mrs Phelan waren vor der vereinbarten Zeit eingetroffen.
    Harry Phelans Vater und Großvater hatten auf dem Albert Dock in Liverpool gearbeitet, bevor es zu einem Domizil teurer kleiner Läden und einer Kunstgalerie umfunktioniert worden war. Harry war mit der festen Absicht aufgewachsen, einmal in ihre Fußstapfen zu treten. Aber als er schließlich von der Schule abging, waren die drohenden Vorzeichen nicht mehr zu übersehen und er suchte sich eine Lehrstelle bei einem Fahrradhersteller in Raleigh undübersiedelte in die East Midlands. Jetzt war auch dieses Gewerbe am Ende, und die Familie war zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt.
    Harry war ein großer, kräftig gebauter Mann mit schütterem rotblondem Haar, einem blonden Schnurrbart und breiten Händen mit rötlichen Härchen zwischen den Knöcheln. Sein Schlips war zu eng geknotet, und er rupfte ständig bald in dieser, bald in jener Richtung an ihm herum. Seine Frau Clarise, kaum einen Meter sechzig groß, mit breitem Becken und vollem Busen, nestelte, immer den Tränen nahe, unablässig an der schwarzen Handtasche, die sie auf dem Schoß hielt.
    Resnick hatte sie zusammen mit Skelton in dessen Büro empfangen, wo man vier Stühle in loser Runde zusammengestellt hatte. Einer der uniformierten Beamten brachte eine Kanne Tee aus der Kantine und einen kleinen Teller mit Keksen.
    Mit wachsender Erregung hörte Harry Phelan sich an, welche Schritte inzwischen unternommen worden waren, in welche Richtungen ermittelt wurde. Aber er wollte von Festnahmen, öffentlichen Appellen, Belohnungen hören, nicht von Computerüberprüfungen, methodischen Vernehmungen, schrittweiser Verkleinerung des Kreises der möglichen Verdächtigen.
    »Ich habe den Eindruck«, erklärte er schließlich, »Sie nehmen die Sache ungefähr genauso ernst wie einen verlorenen Geldbeutel.«
    »Harry, nicht«, mahnte Clarise, während sie ein Taschentuch aus ihrer Tasche zog.
    »Wenn’s um einen Ihrer Mitarbeiter ginge, sähe das garantiert anders aus.«
    »Mr Phelan, ich kann Ihnen nur versichern   …«, begann Skelton.
    Aber Phelan war schon aufgesprungen, sein Stuhl flogkrachend an die Wand. »Und ich kann Ihnen versichern«, schrie er und stieß eine Hand in Skeltons Richtung, »wenn hier nicht schleunigst jemand Gas gibt, mache ich einen solchen Stunk, dass Sie froh sein können, wenn Sie nur im Streifenwagen landen und nicht gleich rausgeschmissen werden.«
    »Harry«, flehte Clarise, »damit erreichst du doch nichts.«
    »Nein? Womit denn dann?« Er wies wieder auf Skelton und schloss mit ausholender Armbewegung auch Resnick ein. »Achtundvierzig Stunden, das ist doch der Zeitrahmen, stimmt’s? Achtundvierzig Stunden. Wenn sie bis dahin nicht gefunden sind, kann man davon ausgehen, dass sie tot sind, verdammt noch mal.«
    »Ach, Harry!« Clarise Phelan schlug die Hände vors Gesicht und begann laut zu weinen.
    Resnick war schon aufgestanden und wollte zu ihr, um sie zu trösten, als Harry Phelan sich ihm in den Weg stellte. Vor dem funkelnden Zorn in seinen Augen gab es kein Entkommen. Einen Moment lang hielt Resnick stand, dann wich er langsam zurück und setzte sich wieder.
    »Komm.« Phelan nahm seine Frau beim Arm. »Wir haben hier nichts mehr verloren.«
    »Wann fahren Sie zurück?«, rief Skelton ihnen nach, als sie gingen.
    »Wir fahren nirgendwohin. Wir bleiben, bis das hier geklärt ist.« Er sagte nicht, mit welchem Ausgang auch immer.
    »Haben Sie eine Adresse«, fragte Skelton, »wo wir Sie erreichen können?«
    Harry

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