Nebel über dem Fluss
Junggeselle von neunundvierzig Jahren mit zwei kleinen Jack Russell Terriern, die er hinten in seinem BMW einsperrte, bevor er die Dienststelle betrat und den Beamten an der Wache bat, die Hunde nach zwei Stunden kurz hinauszulassen, damit sie ihr Geschäft verrichten konnten.
Welch war erfahren, aber faul; er hatte vor ein paar Jahren gemerkt, dass ihm gewisse Voraussetzungen für eine Erfolgslaufbahn fehlten. Ihm fehlte eine Ehefrau, aber er war offenkundig nicht homosexuell. Er war weder Freimaurer noch Rotarier, hatte weder die richtige Privatschule noch die richtige Universität besucht. Und da er auch nicht gerade vor Ehrgeiz brannte, hatte er sich nie bemüht, das Auftreten eines erfolgssicheren Karrieremachers zu kultivieren. Der arme David, er spielte nicht Bridge und nicht Poker, er spielte nicht einmal Golf. Er hatte sich umgesehen und begriffen. Er hätte in eine andere Kanzlei, in eine andere Stadt gehen und noch einmal neu anfangen können, er hätte versuchen können, eine neue Karriere zu starten – stattdessen hatte er sich für ein bequemes Leben entschieden.
»Ihr Mandant erwartet Sie, Mr Welch«, sagte Millington. »Dritte Tür links, den Korridor hinunter.«
»Ich nehme doch an, Sie haben ihm die ordnungsgemäßen Erholungspausen eingeräumt? Ihm eine ordentliche Mahlzeit zukommen lassen?«
»Kabeljau und Fritten«, erklärte Millington freundlich. »Tee. Zwei Scheiben Brot mit Butter. Den Pudding mit Sirup wollte er nicht haben.« Millington klopfte sich auf den Bauch. »Wahrscheinlich möchte er sein Gewicht halten.«
»Ich hätte gern eine gute halbe Stunde«, sagte Welch.
»Zeit spielt keine Rolle«, sagte Millington. Sie wussten beide, dass das eine Lüge war.
Divine saß an seinem Schreibtisch im Dienstraum und sprach mit einer jungen Frau, der zwei Stunden zuvor mitten in der Stadt ihre Handtasche und zwei Tragetüten mit Einkäufen gestohlen worden waren. Kurz nach Mittag. Sandra Drexler war durch die Unterführung unter dem Maid Marian Way gegangen, die mit dem Kiosk in der Mitte. Zwei junge Männer in Jeans und Hemdsärmeln waren die Treppe heruntergerannt gekommen, hatten Sandra Drexler bei den Armen gepackt und wie in einem wilden Spiel herumgewirbelt. Aber was wie ein Spiel aussah, wurde bitterer Ernst, als die beiden Jungen Sandra gegen die geflieste Wand stießen, ihr die Tüten aus den Händen rissen und die Handtasche von der Schulter. Dann rannten sie weiter, am Kiosk vorbei durch den Tunnel in Richtung Friar Lane und Schloss, während Sandra weinend und geschockt im Tunnel auf den Knien lag und die Leute einen Bogen um sie schlugen. Erst nach fünf Minuten, als sie langsam zur Straße hinkte, war eine ältere Frau bei ihr stehen geblieben und hatte gefragt, ob es ihr nicht gut gehe.
»Was waren das für Tattoos?«, fragte Divine, ihren Bericht unterbrechend.
Sandra studierte im zweiten Jahr Kunst und Design am South Notts College. Sie schnappte sich ein Blatt Papier und einen Bleistift und skizzierte sie innerhalb von zehn Minuten – den Union Jack, Sankt Georg und den Drachen.
»Sechzehn, siebzehn, meinen Sie?«
»Richtig.«
»Und bei der Haarfarbe des einen Typen sind Sie ganz sicher?«
»Vollkommen. So ein verwaschenes Blond. Sehr hell.«
Divine dankte ihr für die Mühe und gönnte ihr sein zweitschönstesLächeln. Wenn er nicht so eingebildet wäre und nicht so einen grässlichen Anzug trüge, dachte Sandra, könnte er fast ein hübscher Kerl sein.
Resnick war angespannt. Seine Nackenmuskeln begannen zu schmerzen, und er hatte so viel Kantinentee getrunken, dass er das Gefühl hatte, seine Zunge wäre halb betäubt von Tannin. Robin Hidden ihm gegenüber am Tisch hatte sich, von seinem Anwalt ermutigt, in sich selbst zurückgezogen; sagte kaum noch etwas, verriet nichts.
»Robin«, sagte Resnick, »meinen Sie nicht, wir machen uns die Sache nur unnötig schwer?«
Robin antwortete nicht. David Welch schaute demonstrativ auf seine Armbanduhr.
Die beiden Bänder im Recorder liefen beinahe geräuschlos weiter.
Resnick wusste, dass Hidden jeden Moment von seinem Recht Gebrauch machen und aufstehen konnte, um zu gehen. Jeder andere Anwalt hätte ihm zweifellos längst dazu geraten.
»So«, sagte Graham Millington in geschäftsmäßigem Ton, »ich schlage vor, wir stellen das jetzt ein für alle Mal klar.«
»Ist es wirklich nötig, das alles noch einmal durchzukauen?«, fragte Welch.
»Sie sind zwischen halb und Viertel vor zwölf beim Hotel
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