Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Kapitel, ohne richtig dabei zu sein, dann ließ sie das Buch zu Boden fallen und schloss die Augen. Charlie, dachte sie, war beinahe mit Sicherheit eine Ausgeburtihrer Phantasie. Zumindest der Charlie, der mit ihr im Bett gewesen war, der sie, in dem Moment bevor er kam, mit einem Blick des Schreckens und der Erschütterung angestarrt hatte.
    Es war halb acht, als sie aus der Wanne stieg und sich abtrocknete. Beim Blick in das Fleckchen Spiegel, das sie mit dem Handtuch blank gewischt hatte, wünschte sie, nicht zum erstenmal, sie würde es schaffen, ein paar Kilo abzunehmen.
    Die apfelgrüne Bluse, die sie zu ihrem neuen, seitlich geschlitzten Rock anprobierte, sah perfekt aus. Nur eine andere Strumpfhose musste her. Nancy besaß, soweit sie sich erinnerte, eine perlgraue, die genau passen würde. Sie hätte sie ihr bestimmt sofort geliehen, wenn sie da gewesen wäre.
    Dana nahm Sting von der Anlage, legte Dire Straits ein und ging in Nancys Zimmer hinüber. Als sie die Tür öffnete, sah sie über einem Bügel an der Schranktür das silberne Häkeltop hängen, das Nancy am Weihnachtsabend getragen hatte. Der kurze schwarze Rock lag ordentlich gefaltet über der Rückenlehne eines Sessels, die silbergraue Strumpfhose war über den Toilettenspiegel drapiert und die Lederstiefel standen in der Mitte des Zimmers.
    Kälte überzog Danas Nacken und Arme wie eine zweite Haut.

30
    Er hatte tatsächlich einen sauberen Anzug gefunden, anthrazitgrau mit einem roten Nadelstreifen, noch in der Plastikhülle aus der Reinigung, ein nicht allzu zerknittertes hellblaues Hemd, dem nur an der Manschette ein Knopf fehlte. Ziemlich weit hinten in der Schublade entdeckte er die dunkelblaue Krawatte, die Marian ihm aus reiner Not zu einer ähnlichen Veranstaltung vor zwei Jahren geschenkthatte. Vielleicht waren es auch drei. Als Resnick sie ans Licht hielt, waren auf dem Stoff eingetrocknete Spritzer, wahrscheinlich Borschtsch, auszumachen, die er mit mäßigem Erfolg mit dem Daumennagel abzuschaben versuchte.
    Es war schon zehn nach acht und das Taxi, das er für zehn vor bestellt hatte, war immer noch nicht da. Silvester eben. Bud strich um ihn herum, stieß seinen kleinen Kopf gegen Resnicks Beine, und er nahm den zierlichen Kater hoch und trug ihn, an seine Wange gedrückt, ins Zimmer hinüber. Die abgegriffene Plattenhülle auf dem Tisch zeigte einen lächelnden Thelonius Monk, der von der hinteren Plattform einer der seilgezogenen Straßenbahnen San Franciscos winkte. Die Scheibe war abgenutzt und voller Kratzer, Monks lässige Improvisationen zu »You Took the Words Right Out of My Heart« immer noch faszinierend. Resnick erinnerte sich, dass er sie auf dem Heimweg aus dem Stadion gekauft hatte, nachdem County in den letzten fünf Minuten nach einer Führung mit zwei Toren das Spiel noch verloren hatte. Es war Winter gewesen, eiskalt, in der Halbzeit hatte er sich die Hände an einem Becher heißer Instantbrühe gewärmt. Wann war das gewesen? Neunundsechzig? Siebzig? Zu Hause hatte er die Platte sofort aufgelegt und sich beide Seiten von Anfang bis Ende angehört, mehrmals, tief beeindruckt. Es war erst seine zweite oder dritte Monk-LP gewesen.
    Er wollte gerade die Taxizentrale anrufen und sich beschweren, als er den Wagen draußen vorfahren hörte. Er schaltete Stereoanlage und Licht aus, nahm seinen Mantel, klopfte auf die Tasche, um sich zu vergewissern, dass er den Schlüssel eingesteckt hatte. Er war noch nicht zur Haustür hinaus, da rief ihn das Läuten des Telefons zurück.
    »Wann?«, fragte er, sein gegenüber am anderen Ende der Leitung scharf unterbrechend. »Wann war das?«
    Die Beamtin auf der Wache sagte ihm, was sie wusste.
    »Gut«, unterbrach Resnick sie erneut. »Sehen Sie zu, dass die Spurensicherung informiert ist. Und rufen Sie Graham Millington an. Er soll mich dort treffen. Ich bin schon unterwegs.«
     
    Danas erster Impuls nach dem Anruf bei der Polizei gebot ihr zu flüchten. Aus der Wohnung zu laufen, irgendwohin, nur hinaus, die Türen abzusperren und zu warten. Zuerst hatte sie Resnick verlangt; als ihr gesagt wurde, dass er nicht mehr im Haus sei, hatte sie so genau, wie es ihr möglich war, berichtet. Zum Glück war die Beamtin, mit der sie sprach, geistesgegenwärtig genug, um die Verbindungen herzustellen, die Dana unausgesprochen ließ.
    »Nur eins«, sagte die Beamtin, bemüht, Dana keine Angst zu machen, »rühren Sie auf keinen Fall etwas an.«
    Sie kam sich albern vor, als sie draußen im

Weitere Kostenlose Bücher