Nebel über dem Fluss
»Versprechen kann ich es nicht. Nein, wahrscheinlich eher nicht.«
Dana griff nach dem Adressbuch beim Telefon. »Ich finde schon jemanden«, sagte sie. »Mach dir keine Sorgen.«
»Willst du mir die Nummer geben?«, fragte Resnick. »Wo du zu erreichen bist.«
»Das hat doch wahrscheinlich wenig Sinn«, entgegnete Dana.
Er berührte ihren Arm unterhalb des Pulloverärmels, er war eiskalt. »Tut mir leid«, sagte er, »dass es so gekommen ist.«
Sie antwortete nur mit einem verschlossenen Lächeln, da in diesem Moment Millington kam.
»Bleiben Sie hier, Graham«, sagte Resnick. »Sorgen Sie dafür, dass nichts übersehen wird. Und lassen Sie Miss Matthieson bringen, wohin sie will. Ich fahre rein, mich mit dem Alten treffen.«
An der Tür blieb er stehen und blickte zurück in die Wohnung, aber Dana war nicht mehr zu sehen. Sie hatte sich schon in ihr Zimmer zurückgezogen.
31
Nachts war die Atmosphäre auf der Dienststelle eine andere, ruhiger und doch angespannter. Die Blutspritzer auf der Vortreppe und im Vestibül waren frisch, so hell im Licht der Deckenlampen, dass sie leuchteten. Abgesehen von einem plötzlichen lauten Ruf aus den Zellen waren die Stimmen gesenkt. Die Schritte in den Korridoren undauf den Treppen gedämpft. Nur das fordernde Läuten der Telefone war so schrill wie bei Tag.
Skelton erwartete Resnick zu dessen Überraschung nicht in seinem eigenen Büro, sondern im Dienstraum, wo er vor dem großen Stadtplan an der hinteren Wand stand. Er trug statt des gewohnten Anzugs einen dunkelblauen Blazer zu einer hellgrauen Hose. Ungewöhnlich war auch der über dem Knoten der Krawatte geöffnete Kragen. Er sagte nichts, als Resnick eintrat, und als er dann ansetzte, erkundigte er sich nicht nach dem, was vorgefallen war, sondern fragte: »Wünschen Sie eigentlich seit Ihrer Scheidung von Elaine manchmal, Sie hätten wieder geheiratet, Charlie?«
Verblüfft, unsicher, was er darauf antworten sollte, ging Resnick zu dem Tisch, auf dem der Wasserkocher stand, hob ihn hoch, um zu prüfen, ob noch genug Wasser darin war, und schaltete ihn ein.
Skelton sah ihn auf Antwort wartend an.
»Manchmal«, sagte Resnick schließlich.
»Ich will ehrlich sein«, sagte Skelton. »Ich dachte immer, wenn man so allein lebt wie Sie, müsste man sich doch hundeelend fühlen. Abend für Abend in das leere Haus zurückzukehren, wo einen niemand erwartet. Nie hätte ich geglaubt, dass ich einmal den Wunsch haben könnte, so zu leben.«
»Tee?«, fragte Resnick.
Skelton lehnte ab, und Resnick gab einen Teebeutel in den am wenigsten gebräunten Henkelbecher.
»Man gewöhnt sich wahrscheinlich daran«, fuhr Skelton fort. »Richtet sich irgendwie ein und lernt die Vorteile schätzen. Und nach einiger Zeit ist es vermutlich schwierig, anders zu leben.«
Vom Korridor waren Schritte zu hören, und als Resnick sich umdrehte, sah er Helen Siddons zur Tür hereinkommen, offensichtlich von einer Silvesterfeier weggerufen, diealles andere als zwanglos gewesen war. Sie trug das Haar hochgesteckt und dazu ein Kleid ähnlich dem, das Resnick von der Weihnachtsfeier in Erinnerung hatte, in einem sehr blassen Eisblau. Irgendwo unterwegs hatte sie offenbar die Schuhe gewechselt, hatte jetzt flache an, und der Trenchcoat um ihre Schultern hätte einem Mann gehören können.
»Ich habe Helen gebeten, uns zu unterstützen«, erklärte Skelton. »Ihre Erfahrung wird sich hier vielleicht als nützlich erweisen.«
Welche Erfahrung?, dachte Resnick und sagte: »Das Wasser hat gerade gekocht. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
»Während ihres Dienstes in Bristol und Avon hatte Helenmit dieser Susan-Rogel-Geschichte zu tun. Sie erinnern sich?«
Irgendetwas mit einer Frau, deren Wagen verlassen auf den Mendip Hills zwischen Bath und Wells gefunden worden war. Keine Spuren eines Kampfes, kein Brief, der ihr Verschwinden erklärt hätte. Es gab nichts, keine Leiche, keinerlei Anhaltspunkte, was für ein Verbrechen sprach.
»Ich dachte, man sei damals davon ausgegangen, dass sie sich aus eigenem Entschluss abgesetzt hatte«, sagte Resnick. »Gab es da nicht eine Liebesaffäre, die außer Kontrolle geraten war?«
Helen Siddons holte sich von einem der Schreibtische einen Stuhl und Skelton half ihr aus dem Mantel. »Sie hatte etwas mit dem Geschäftspartner ihres Mannes angefangen«, sagte Helen. »Sie betrieben einen Antiquitätenhandel mit Filialen im ganzen Südwesten.« Sie nahm eine Zigarette aus einem Etui in ihrer Handtasche, und
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