Nebel ueber Oxford
Demonstranten haben schließlich ein Recht, ihrer Meinung Ausdruck zu geben, und soviel ich weiß, waren sie friedlich. Vielleicht war es eine extremistische Splittergruppe, aber bisher hat die Polizei offenbar noch niemanden verhaftet.«
»Wieso nicht?«
»Woher soll ich das wissen, Kate? Ich gehe davon aus, dass sie die Sache sehr ernst nehmen. Sam hat erzählt, dass überall auf dem Gelände Leute in weißen Overalls herumliefen, als er nach Hause ging.«
»Es muss der Anführer gewesen sein, den ich auf der St. Giles gesehen habe. Ich fand sofort, dass er wie ein Fanatiker wirkte.«
»Wieso?«
»Nun, er war dünn und hektisch, hatte langes Haar und einen starren Blick.«
Emma lachte. »Du solltest als Profilerin zur Polizei gehen.«
»Aber bist du denn kein bisschen wütend auf diese Leute?«
»Wenn du die Leute meinst, die gegen Tierversuche sind, dann bin ich im Prinzip auf ihrer Seite«, sagte Emma langsam.
»Aber du musst doch gegen Gewalt sein, zumal dann, wenn sie sich gegen Unschuldige richtet. Eine Bombe! So willkürlich!«
»Ich weiß zwar nicht, warum ich mich überhaupt auf eine Diskussion einlasse, aber ich glaube nun einmal an freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht. Ich werde meinen Prinzipien nicht untreu, auch wenn dieses Mal meine Familie betroffen war.«
»Aber sie hätten Sam töten oder verletzen können! Findest du das nicht zumindest unverantwortlich?«
»Bisher wissen wir nicht, ob sie für die Explosion verantwortlich sind. Wenn ich persönlich vorhätte, eine Bombe zu legen, würde ich sicher nicht dableiben und zusehen«, wandte Emma ein. »Ich wäre vermutlich kilometerweit weg.«
»Aber wer sollte verantwortlich sein, wenn nicht die Demonstranten? Weiß denn wirklich niemand etwas? Gibt es nicht den kleinsten Anhaltspunkt?«
»Vermutlich werden sie zunächst die üblichen Rowdys verhören.« Für Kate klang das alles andere als befriedigend.
»Armer Sam. Wie schrecklich für ihn. Was hatte er überhaupt in diesem Labor zu tun? Ich dachte, er nimmt sich ein Jahr Auszeit?«
»Das tut er auch. Ich muss gleich auflegen, Kate. Eigentlich wollte ich nur fragen, ob du in den nächsten Tagen Zeit für einen Kaffee hättest? Bis dahin weiß ich sicher mehr.«
»Klar habe ich Zeit. Bei dir oder bei mir?«
»Wir könnten uns vielleicht irgendwo in der Stadt treffen.« Emmas Stimme klang sehnsüchtig, als wäre ein Ausflug in die Stadt eine Art ferner Traum.
»Gern.« Kate schlug ein Café vor, in dem es nur zwei Arten Kaffee gab – mit und ohne Milch. Der Kaffee jedoch war gut und stark und würde Emmas knappes Budget nicht sprengen.
Im Hintergrund von Emmas Ende der Leitung waren Kinderstimmen zu hören, die nach der Aufmerksamkeit der Mutter verlangten. »Morgen um elf?«, fragte Emma hastig.
»Einverstanden«, bestätigte Kate. »Richte Sam junior bitte einen schönen Gruß aus. Er soll auf sich achtgeben.«
»Das war Emma«, berichtete sie, als Jon den Kaffee brachte. »Ihr ältester Sohn Sam war auf dem Dach des Labors, als der Sprengsatz hochging.«
»Ist ihm etwas passiert?«
»Offenbar nicht, obwohl ich den Eindruck habe, dass er die Nachwehen der Explosion vor Emma herunterspielt.«
»So schlimm wird es wohl nicht sein, wenn er nach Hause gehen durfte. Du solltest dich nicht unnötig aufregen, Kate.«
»Ich rege mich aber auf, wenn Leute ohne Rücksicht auf Verluste Bomben zünden und nicht einmal belangt werden. Die arme Emma muss hin- und hergerissen zwischen ihren liberalen Prinzipien und der Sorge um ihre Familie sein. Hattest du nicht in deinem früheren Job genau mit dieser Art von Verbrechern zu tun? Könntest du nicht jemanden anrufen und herausfinden, was genau passiert ist?«
»Nein. Meine Arbeit sieht jetzt ganz anders aus. Solche Dinge gehen mich nichts mehr an.«
Kate erkannte, dass sie so nicht weiterkam. »Ich treffe mich morgen Vormittag mit Emma auf einen Kaffee. Sie kam mir ganz schön gestresst vor, und zwar nicht nur wegen Sam. Aber morgen wird sie mir sicher mehr erzählen.«
»Viel Neues wird es nicht sein«, meinte Jon. »Zu viele Kinder, ein Ehemann, der sie als völlig selbstverständlich hinnimmt, und zu wenig Geld.«
»Nun, so knapp bei Kasse sind sie auch wieder nicht«, entgegnete Kate und bezog sich damit auf den einzigen Punkt, der in dieser Aufstellung als strittig gelten konnte.
»Wer so viele Kinder hat, ist zwangsläufig klamm. Ich glaube kaum, dass Sam übermäßig viel verdient.«
»Sam junior ist jetzt
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