Nebel ueber Oxford
was geschehen könnte, wenn diese unnötige Arbeit fortgesetzt wird.«
»Trotzdem hört es sich wie eine Drohung an. Im Übrigen richtet sie sich meiner Meinung nach auch an unbeteiligte Zuschauer.« Der Moderator hob die Augenbrauen.
»Wenn es um Experimente mit unschuldigen Tieren geht, gibt es keine unbeteiligten Zuschauer. Und wer an der Universität beschäftigt ist, kann nicht unschuldig sein. Jeden Einzelnen trifft Schuld, selbst wenn es nur an den Verbindungen liegt. Wenn jemand für einen Mörder arbeitet, kann er sich einer Mitschuld nicht entziehen. Das gilt für Büropersonal ebenso wie für Reinigungskräfte. Sie alle sind des Mordes schuldig. Und alle müssen erwarten, eines Tages für ihre Verbrechen bestraft zu werden.« Die Stimme klang noch immer vernünftig, doch der Mund des Mannes hatte sich zu einer verbissenen Grimasse verzogen. Er starrte in die Kamera.
»Dann heißen Sie den heutigen Anschlag also gut?«
»Wie schon gesagt: Ich bin gegen jede Art von Gewalt, aber ich habe Verständnis für diejenigen, die so frustriert sind, dass sie ihrem Ärger auf diese Weise Luft machen.«
»Nicht sehr glücklich formuliert«, kommentierte Jon.
»Und was würden Sie einem Parkinsonkranken sagen, dessen einzige Hoffnung auf Heilung aus diesen Labors stammt?« Der Moderator deutete beim Sprechen mit dem Finger auf Razer.
»Nun, wir wissen doch alle, dass wir für die Forschung keine Tiere brauchen. Es gibt ausreichende Alternativen. Außerdem sind Ratten und Menschen nicht das Gleiche; sie reagieren auf unterschiedliche Weise auf bestimmte Medikamente. Dadurch, dass wir Kaninchen oder Ratten opfern, erfahren wir nichts Neues. Tierversuche machen keinen Sinn.«
»Warum antworten die beiden anderen nicht auf diesen Mist?«, platzte Jon heraus.
»Vielleicht hat man diesem Razer ganz bewusst gestattet, seine extremen Ansichten zu formulieren«, sagte Kate. »Dem Kerl glaubt doch sicher niemand.«
»Du solltest die Dummheit der Öffentlichkeit nie unterschätzen. Man sollte ihm nicht so viel Redezeit einräumen. Er ist ein Fanatiker. Ein Terrorist!«
Die ergebnislose Diskussion auf dem Bildschirm neigte sich ihrem Ende zu. Kurz darauf wandte man sich einem anderen Thema zu. Jon griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
»Für mich ist so etwas nur ein Grund mehr, Oxford den Rücken zu kehren«, schimpfte er.
»Ich finde, wir sollten versuchen den Täter zu stellen und dafür zu sorgen, dass sich ein solcher Anschlag nicht wiederholt.«
»Wir?«, fragte Jon. »Du kannst doch nicht alles, was dich berührt, zu deiner eigenen Angelegenheit machen!«
Kate antwortete nicht, doch sie dachte: So bin ich nun einmal.
An diesem Abend schlief Kate schlecht ein. Immer wieder überlegte sie, warum sie sich bei Jons Wunsch nach einem Kind so unwohl fühlte. Dass er Kinder mit ihr haben wollte, konnte nur bedeuten, dass er sie liebte und eine dauerhafte Beziehung wünschte. Wenn sie ihn ihrerseits ebenso liebte, würde sie sicher das Gleiche empfinden. Wie er bereits gesagt hatte, müsste es ja nicht gleich eine Großfamilie wie die von Emma sein. Ein Kind reichte – höchstens zwei. Sie müsste nicht einmal aufhören zu arbeiten. Allenfalls für ein paar Monate.
Aber sie musste noch über ihre Entscheidung nachdenken. Morgen vielleicht. Jetzt war sie viel zu müde dazu.
Auf seiner Seite des Bettes lag Jon und überlegte, ob es nicht voreilig gewesen war, seine Wohnung in London zu verkaufen und in Oxford mit Kate zusammenzuziehen. Es war ein Jobangebot, das den Ausschlag gegeben hatte. Aber es gab noch viele andere Jobs, die auf jemanden mit seiner Qualifikation und Erfahrung warteten.
Kate war in Oxford geboren und aufgewachsen und liebte die Stadt; er hingegen konnte sich auch nach acht Monaten noch nicht für sie erwärmen. Vielleicht hätte er sich die vielen malerischen Darstellungen der Stadt im Fernsehen ersparen sollen, ehe er hergezogen war. Er hatte sich nach einem fotogenen Arkadien gesehnt, das den Ansprüchen der Wirklichkeit niemals genügen konnte. In seiner Vorstellung hatte er sich Oxford als Stadt mit einer magischen Note ausgemalt. Doch alles, was er sah, waren feuchte, graue Mauern, Bürgersteige voller Kaugummi und genervte Leute, die Stunden damit verbrachten, einen Parkplatz zu suchen.
Nicht, dass er Kate einen Vorwurf daraus machte. Er war derjenige gewesen, der unbedingt in Kates Haus in Jericho ziehen wollte, bis sie ein gemeinsames Haus gefunden hatten. Jetzt
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