Nebel ueber Oxford
mit der Schule fertig, und Abigail macht nächstes Jahr ihren Abschluss. Vielleicht wird es dann besser.«
»Du vergisst die Universitätsgebühren«, bemerkte Jon. »Aber vielleicht braucht Emma auch einfach nur einen freien Vormittag mit einer unbekümmerten Freundin, um sich wieder zu fassen.«
Unbekümmert? Sollte er sich doch einmal vor den Computer setzen und versuchen sich jeden Morgen zündende Ideen aus den Fingern zu saugen!
»Ach übrigens«, sagte Jon so beiläufig, dass Kate sofort alle Antennen ausfuhr, »was hältst du davon, es Emma nachzumachen?«
»Kinderbücher zu schreiben? Eine zweite J. K. Rowling zu werden? Mir einen Ehemann zu suchen, der mich für eine Selbstverständlichkeit hält? Oder mir eine große Familie anzuschaffen?«
»Na ja, wir wollen es nicht gleich übertreiben. Wir könnten zunächst mit einem Kind anfangen und sehen, wie es läuft.«
»Sollten wir uns zunächst nicht lieber um ein größeres Haus kümmern?«, sagte Kate, um auf Zeit zu spielen. Natürlich wusste sie längst, dass sie, wenn sie Kinder haben wollte, bald damit anfangen müsste. Sie war Ende dreißig, und die Chancen auf eine Schwangerschaft würden innerhalb der nächsten paar Jahre dramatisch sinken. Doch noch hatten Jon und sie sich kaum an ihr Zusammenleben gewöhnt – war es da nicht zu früh, an Familie zu denken? »Hier wird es allmählich ganz schön eng. Wir brauchen mehr Platz, ehe wir über ein Baby nachdenken.«
»Ein Kinderbettchen passt überall hin«, erklärte Jon. »Ich glaube, wir sollten mit dieser Entscheidung nicht mehr allzu lange warten, Kate.«
»Reich mir mal die Prospekte der Makler herüber«, sagte sie. »Obwohl ich den Eindruck habe, dass sie uns nie etwas schicken, was uns gefällt.«
»Was uns beiden gefällt«, berichtigte Jon und nieste.
Kapitel 6
»Es ist halb elf«, verkündete Kate. »Zeit für die Spätnachrichten. Ich schalte den Fernseher ein.«
»Hoffentlich kommt der Sprengstoffanschlag möglichst früh. Ich will nämlich nicht mehr allzu lang aufbleiben«, sagte Jon und gähnte.
Er hatte Glück. Die Bombe wurde gleich als erstes Thema behandelt.
Nach einer kurzen Einführung begann die Diskussion. Eine gut angezogene, äußerst eloquente Frau sprach für die Universität und betonte, wie wichtig die Arbeit des betroffenen Labors für die Erforschung degenerativer Erkrankungen sei. Ein teuer gekleideter, aber weniger sprachgewandter Herr vertrat das Innenministerium und erklärte die Rechte und Pflichten von Demonstranten. Der dritte Redner war der Sprecher der Tierversuchsgegner, der laut Einblendung auf dem unteren Bildschirmrand auf den Namen Razer hörte.
»Einfach nur Razer?«, meinte Jon. »Den Namen hat er sich vermutlich selbst ausgedacht.«
»Bestimmt. Ich glaube, er war der Anführer des Aufmarsches in der St. Giles«, sagte Kate. »Zumindest sieht er ihm ähnlich.«
»Eben ein typischer Fanatiker«, sagte Jon und wiederholte damit fast wörtlich Kates Einschätzung gegenüber Emma. Kate fiel auf, dass er interessierter wirkte, seit er Razer in Aktion beobachtete. »Er hört den beiden anderen nicht einmal zu«, kritisierte er, als Razer zu reden begann.
Der Aktivist wendete sich nicht an seine Gesprächspartner, sondern sprach direkt in die Kamera.
»Wir Tierversuchsgegner sind gegen jede Art von Gewalt«, begann er mit moderater Stimme. »Wenn aber diejenigen, die unschuldigen Tieren Gewalt antun, uns geflissentlich überhören, darf man es einigen Unterstützern nicht verdenken, wenn sie sich zu einer unmittelbaren Aktion entscheiden. Der Eingriff am lebenden Tier zu wissenschaftlichen Versuchszwecken ist ekelhaft. Wer so arbeitet, muss als Krimineller gebrandmarkt werden. Da Vivisektion laut Gesetz nicht unter Strafe steht, darf man sich nicht wundern, wenn die Täter von unseren Sympathisanten zur Rechenschaft gezogen werden.«
Der Sprecher des Innenministeriums wollte Einspruch erheben, der Moderator jedoch brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Der heutige Vorfall in Oxford hatte nichts mit unserer Organisation zu tun«, fuhr Razer fort. »Aber er ist ein Alarmsignal für die Schuldigen. Darunter verstehen wir nicht nur die Tierquäler, sondern auch deren Familien und Freunde sowie jeden, der in irgendeiner Weise mit diesen sogenannten Labors zu tun hat.«
»Soll das eine Drohung an Hunderte, vielleicht sogar Tausende Menschen sein?«, fragte der Moderator.
»Keine Drohung, sondern lediglich eine Warnung vor dem,
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