Nebel ueber Oxford
war.«
»Ich werde mich mit Emma in Verbindung setzen. Ich finde es unpassend, Sam mit einer unpersönlichen Mail zu informieren. Irgendjemand muss mit ihm reden, und zwar Auge in Auge.«
»Darf ich Ihnen das überlassen?«
»Ja, sicher, Blake. Und wie geht es jetzt weiter?«
»Ich muss jetzt wieder ins Labor. Wir können uns beim besten Willen keine Auszeit leisten. Keiner von uns wird Kerri vergessen, aber wir müssen mit den Forschungsarbeiten weitermachen, zu denen sie einen guten Teil beigetragen hat.« Es hörte sich fast an, als übte Blake schon einmal die Worte, die er auf Kerris Beisetzung sprechen würde. Er stand auf.
»Schaffen Sie das?«, fragte Kate.
»Keine Ahnung. Ich muss es versuchen.«
»Und … was ist mit der Beisetzung?«
»Ich weiß nicht einmal, welcher Konfession Kerri angehörte. Oder ob sie überhaupt gläubig war. Ich bin sicher, dass es noch familiäre Bindungen gibt. Niemand stiefelt fast zwanzig Jahre lang durchs Leben, ohne noch irgendwo Wurzeln zu haben.«
»Im 21. Jahrhundert ist fast alles möglich. Mir fällt übrigens gerade eine Sache ein, die sie über ihr Zuhause gesagt hat. Sie ließ eine Bemerkung fallen, wie groß mein Haus sei und wie weitläufig die Zimmer wären.«
»Dann wohnte sie also in einem Cottage oder in einer Sozialwohnung. Das bringt uns allerdings auch nicht viel weiter.«
»Sie hat mir erzählt, dass sie aus Didcot stammt. Ich hatte den Eindruck, dass es sich entweder um eine Sozialwohnung oder eine Genossenschaftssiedlung handelte.«
»Das gebe ich so weiter. Der Polizist, der ins Labor kam, hat mir seine Telefonnummer gegeben für den Fall, dass mir noch etwas einfällt.«
»Wie hieß Kerri eigentlich mit Nachnamen? Noch nicht einmal das weiß ich.«
»Sie hieß Ashton. Der Name ist nicht sehr häufig, aber vielleicht hilft gerade das dabei, die Familie zu finden.«
»Aber nur, wenn die Familie den gleichen Nachnamen hat.«
»Trotzdem könnte man zunächst damit anfangen, alle Ashtons im Telefonbuch zu suchen.« Blake klang nicht sehr zuversichtlich. Er wandte sich zur Tür.
»Da ist noch etwas«, sagte Kate.
»Was denn?«
»Nach dem Sprengstoffanschlag auf das Labor, der Briefbombe und den Drohanrufen – hat eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, dass dieser ›Unfall‹ vielleicht gar keiner war?«
»Kein Unfall?«
»Ich denke, diese Möglichkeit sollte man unbedingt in Erwägung ziehen.«
»Passt der vermeintliche Unfall denn zu den anderen Vorfällen?«
»Ich denke schon. Die Gewalt hat immer weiter zugenommen, bis zum bitteren Ende.«
»Ich fürchte, die Polizei hat weniger Fantasie als Sie, Kate.«
»Machen Sie sich über mich lustig?«
»Das nicht, aber ganz ernst kann ich Sie nicht nehmen.«
Inzwischen standen sie an der Eingangstür, die Kate für Blake öffnete.
»Warum fühlt sich Conor so schuldig?«, hakte sie nach. »Jeder der Freunde hätte sie heimbringen können. Er war nicht der Einzige, der sie am Ende der Straße allein gelassen hat.«
»Ich kann mit Ihren Überlegungen nicht viel anfangen.« Blake runzelte die Stirn. »Trotzdem danke ich Ihnen. Es hat mir gutgetan, mit Ihnen zu sprechen Auf jeden Fall muss ich bald zu Kerri nach Hause und mit ihren Freunden sprechen. Vielleicht findet sich in ihrem Zimmer etwas, was auf ihre Familie oder irgendeine andere Kontaktperson verweist.«
»Gut. Ich spreche inzwischen mit Sam.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden?«
»Aber natürlich.«
Sie sah ihm nach, wie er rasch in Richtung der Walton Street ging. Schließlich schloss sie die Tür, ging zurück in die Küche und schenkte sich den verbliebenen Rest Kaffee ein. Wenn Blake nach Reden zumute war, warum wandte er sich nicht an Marianne? Oder an Candra, Greg oder Eric? Und warum hatte er ihre Überlegung so rundweg abgetan? Ihr selbst kamen die Ereignisse tatsächlich wie eine logische Steigerung vor: Drohanrufe, Graffiti, Briefbombe, Sprengstoffanschlag, Mord. War sie wirklich die Einzige, die hinter dem Tod von Kerri mehr vermutete, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte?
Und Blake hatte nicht verstanden, dass hinter Conors Schuldgefühlen mehr stecken könnte als die Tatsache, dass er eine Bekannte die paar Meter zu ihrem Haus allein hatte gehen lassen. Angenommen, er wäre es gewesen, der den Tierschützern zu den Adressen und Telefonnummern der Mitarbeiter verholfen hatte. Vielleicht hatte er nicht damit gerechnet, dass es um mehr als ein paar unangenehme Anrufe und einige
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