Nebel ueber Oxford
Wandschmierereien ging. Als sie dann aber immer weitergingen und dafür die Informationen missbrauchten, die er ihnen geliefert hatte – war es da nicht normal, wenn er sich schuldig fühlte? Sie trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Bitterer Kaffeesatz, dachte sie. Wie passend!
Sie ging nach oben, setzte sich vor den Computer und überlegte, wie sie Sam die Nachricht von Kerris Tod überbringen sollte. Wenn sie es nicht richtig machte, würde er sich möglicherweise ins nächste Flugzeug setzen. Das aber hielt sie für keine gute Idee, denn sie glaubte nicht, dass Emma und Sam senior sich ein zweites Ticket nach China leisten konnten. Im Übrigen konnte er hier in Oxford nicht das Geringste tun. Kerri würde nicht wieder lebendig werden.
Sie rief Emma an. Der Geräuschpegel im Hintergrund war noch stärker als sonst, was die Situation nicht gerade vereinfachte.
»Weißt du schon, was passiert …«
Emma unterbrach sie. »Runter da, Jack. Du weißt ganz genau, dass du das nicht darfst. Ich glaube, Jack ist gar nicht richtig krank«, sagte sie in den Hörer. »Wahrscheinlich ist er nur eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die Geraldine und Lucas bekommen. Wenn du dich jetzt nicht sofort benimmst, gehst du auf dein Zimmer!«
Kate erriet, dass die letzte Bemerkung nicht ihr, sondern Jack galt. »Kate, ist es wichtig? Hier geht es gerade drunter und drüber.«
»Es ist wichtig, Emma.« Kate würde nicht wie die Katze um den heißen Brei schleichen, sondern sofort sagen, um was es ging. »Kerri ist tot. Sie ist überfahren worden, ein Fall von Fahrerflucht.«
»Oh! Wie schrecklich!« Emma war jetzt ganz bei Kate.
»Ja, das ist es. Ihr Chef, Blake Parker, hat sich bei mir gemeldet, weil er weiß, dass ich mit Sam befreundet bin. Wir müssen es Sam irgendwie sagen, Emma.«
»Das müssen wir wohl.« Emma schien nachzudenken, und der Krawall im Hintergrund wurde wieder lauter. Kate sprach schneller.
»Ich habe seine E-Mail-Adresse, aber gibt es vielleicht einen direkten Weg, Kontakt mit ihm aufzunehmen? Eine Telefonnummer?«
»Willst du ihn anrufen?«
»Ich dachte, das möchtest du vielleicht tun.«
»Oh nein. Ich habe im Augenblick viel zu viel um die Ohren, Kate. Du machst das sicher besser als ich.« Emmas Stimme entfernte sich wieder. Am liebsten hätte Kate sie angeschrien, dass sie schließlich Sams Mutter sei, doch sie wusste, dass Emma ihre Kinder nicht mehr zum Mittelpunkt ihres Universums machte, sobald sie das sechzehnte Lebensjahr erreicht hatten. Tris, Jack und Flora galt jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit. Geraldine und Lucas ebenfalls.
»Hast du vielleicht eine Telefonnummer?« Kate bemühte sich, gegen die Kinderstimmen anzukommen.
»Leider nein. Auch ich habe nur die E-Mail-Adresse. Es wird wohl nicht anders zu machen sein. Ach, Kate, du solltest ihn unbedingt davon abhalten zurückzukommen. Hier kann er nichts für sie tun, und ich wüsste ehrlich gesagt auch nicht, wo ich ihn hinstecken sollte. Das Haus bricht jetzt schon aus allen Fugen.« Aus dem Hintergrund kam ein lautes Weinen. »Schon gut, Liebes, ich bin gleich bei dir.«
Kate begriff, dass sie an diesem Morgen nicht viel mehr aus Emma herauskitzeln konnte. Sie verabschiedete sich, ging ins Arbeitszimmer und begann eine E-Mail zu schreiben.
Sie hatte gerade »Hi Sam« geschrieben und sofort wieder gelöscht und durch »Lieber Sam« ersetzt, weil ihr die erste Anrede zu flapsig erschien, als Emma zurückrief.
»Es könnte sein, dass sein Freund Ben schneller mit ihm Kontakt aufnehmen kann als wir beide. Ich habe nicht richtig zugehört, aber er sagte etwas von Messaging – was immer das bedeuten mag.«
»Hast du Bens Telefonnummer?«
»Die habe ich. Der Junge heißt Ben Fryer, und die Telefonnummer gehört seinen Eltern. Irgendwer ist sicher zu Hause.« Und sie gab Kate eine Nummer in Oxford.
Als Kate die Nummer anrief, meldete sich jedoch nur der Anrufbeantworter. Sie hinterließ eine Nachricht, Ben möge doch so bald wie möglich zurückrufen. Einige Stunden später, als sie schon fast den Entschluss gefasst hatte, nicht länger zu warten und stattdessen die E-Mail zu schreiben, läutete endlich das Telefon.
»Kate Ivory? Hier spricht Ben Fryer. Sie haben mir eine Nachricht hinterlassen.«
Kate erklärte ihr Anliegen.
»Kerri? Ist tot?«
»Ich fürchte ja.«
»Das wird Sam sicher fertigmachen.«
»Ich weiß. Aber genau das ist der Grund, warum ich von Ihnen wissen will, ob Sie eine direktere Verbindung zu ihm
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