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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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zündete er sich eine Zigarette an und sah dem Taxi nach, wie es in Richtung City verschwand. Während er so dastand und ein paar hastige, tiefe Züge nahm, hatte er das Gefühl, aus dem Haus beobachtet zu werden. Er widerstand der Versuchung, sich umzudrehen und die Fenster nach einem neugierigen Augenpaar abzusuchen, rauchte die Zigarette bis zur Hälfte, ließ sie auf den Bürgersteig fallen und lief den schmalen Weg zum Haus hinauf.
    Vor der Tür blieb er stehen und klingelte. Zuerst blieb alles still, aber schließlich hörte er, wie im Obergeschoss ein Fenster geöffnet wurde. Scheinbar ging es in Inchicore nicht gänzlich anders zu als in Dolphin’s Barn.
    Schritte hinter der dunkelblauen Eichentür, dann vernahm er die gedämpfte Stimme von Adam Oldmore, einem pensionierten Religionslehrer, dessen Tochter Grace offenbar nicht viel vom sechsten Gebot hielt.
    »Mach dich vom Acker, Namara!«
    So hatte er ihn seit seiner Hochzeit mit Grace nicht mehr genannt, also ging Patrick davon aus, dass Adam wirklich sauer war. Er fragte sich allerdings, weshalb. Wer von ihnen beiden hatte sich denn mit Kindergärtner Cal vergnügt?
    »Ich muss mit Grace sprechen. Es ist wirklich dringend.«
    »Vergiss es!«
    Vielleicht rührte sein Zorn ja gar nicht aus der Angelegenheit mit Cal. Vermutlich hatte er von Patricks Verhaftung gehört. Ihm wurde ganz anders bei der Vorstellung, dass Menschen, die er bis vor ein paar Tagen zu seiner Familie gezählt hatte, ihn nun womöglich für einen Mörder hielten.
    »Jetzt komm schon, Adam!« Patrick fühlte sich hilflos. Am liebsten hätte er einfach die Tür eingetreten. »… Adam?«
    Aus dem Haus kam keine Antwort mehr und Patrick legte gerade erneut den Finger auf die Klingel, als sich auf einmal die Tür öffnete und er in Graces Gesicht blickte. Den Ausdruck darin konnte er nicht deuten. War sie verärgert? Genervt? Oder doch irgendwie erleichtert? Grace ließ ihm keine Zeit, sich darüber klar zu werden. Sie kam aus dem Haus und zog die Tür hinter sich zu.
    »Gehen wir ein paar Meter.«
    »Willst du mich von Tammie fernhalten?«
    »Sollte ich das denn?«
    Er erwiderte ihren Blick, bis er ihm nicht mehr standhielt. Dann wandte er sich ab und ging los.
    Grace folgte ihm und zog ihre Fleecejacke enger um die Schultern. Obwohl er selbst nur im Pullover war, fiel ihm erst jetzt auf, wie kühl es heute war.
    »Also?« Grace blieb an der Ecke zur Goldenbridge Avenue stehen, am Zaun zu einem Vorgarten, der so dicht mit Palmen bepflanzt war, dass dahinter gut und gerne ein malerischer Südseestrand hätte liegen können.
    Patrick zog seine Zigaretten aus der Hosentasche, drehte sich gegen den Wind und steckte sich eine an.
    »Denkst du nicht, dass du mir eine Erklärung schuldig bist?« Er spürte, dass sie nur mühsam die Fassung wahrte. »Warum um alles in der Welt haben die dich festgenommen?«
    »Ich hab keine Ahnung.«
    Grace lachte fassungslos und auf ihren Wangen breiteten sich rote Flecken aus. »Du hast keine Ahnung?«
    Er starrte den rissigen Asphalt an und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. Er wünschte sich, dass sie ihm einfach glaubte. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Aber wo du in der Silvesternacht warst, das weißt du doch wahrscheinlich?« In Graces Blick lag eine stille Befürchtung, die ihm ganz und gar nicht gefiel.
    »Was denkst du, wo ich war? Diese Frau erschießen?«
    »Wo warst du denn, wenn nicht diese Frau erschießen?«
    »Bei dem Patienten mit dem Herzanfall, das weißt du doch!«
    »Und wie heißt dieser Patient? Wo wohnt er?«
    Er schüttelte nur den Kopf und sog an seiner Zigarette.
    »Ich rede mit dir, Patrick! Wo warst du Silvester zwischen elf und eins? Wo warst du, als jemand mit unserem Auto–«
    »Hör auf.« Entgegen seinen Erwartungen verstummte sie und wich einen winzigen Schritt zurück. Auch wenn sie ein Miststück war, tat es ihm weh, dass sie auf einmal Angst vor ihm zu haben schien. »Grace, ich …« Er spürte, wie seine Stimme brach.
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Ich habe niemanden getötet, hörst du? Ich habe diese Menschen nicht einmal gekannt.«
    »Dann erklär mir das alles. Sag mir, warum ich dich nicht mehr wiedererkenne.«
    »Das werde ich. Wenn ich selbst weiß, was los ist. So lange musst du einfach zu mir halten, verstehst du?«
    »Ich habe dir dieses Alibi gegeben und ich habe mich wirklich nicht gut dabei gefühlt. Mehr kannst du nicht erwarten. Eigentlich kannst du selbst das nicht erwarten,

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