Nebelflut (German Edition)
Morde. Dem Mann auf der Farm waren die Füße mit einem Stahlhammer zertrümmert worden. Auch der Frau im Hotel hatte der Täter einige Knochen gebrochen, woraus die Polizei schloss, dass er von großer Wut getrieben wurde. Beide Opfer waren mit Schlägen und Quetschungen gefoltert worden, aber der Mann war am Ende erschlagen und die Frau erschossen worden. Vielleicht war der Killer noch dabei, seine Methoden zu verfeinern.
In einem der Artikel stieß Patrick auf die Nachricht, dass die Tatwaffen gefunden worden waren. ‚MORDWAFFEN IN AUTO VON ANGESEHENEM ARZT – EIN KILLER AUS DER OBERSCHICHT?‘ Er schüttelte den Kopf und stieß das Netbook wütend von sich. Sicher, das hätten die Leute gern. Einen durchgeknallten Killer wie in American Psycho. Er war aber nicht der verdammte Patrick Bateman. Wenigstens wurde sein Name nirgends erwähnt, dafür aber der seiner Schwester. In nahezu jedem der Artikel, die er fand, wurde auf ihr Verschwinden und den Fund ihrer Überreste hingewiesen, meist mit traurigen, melodramatischen Worten, die ihm die Lektüre dieser Absätze nicht unbedingt erleichterten.
Er wollte gerade einen neuen Suchbegriff eingeben, als es klopfte.
»Komm rein!«
Die Tür öffnete sich und Jerzy trat ein. Seine Jacke, eine rotweiße Lacoste-Fälschung und sein graues Basecap waren durchnässt. »Brauchst du neue Patienten für deine Praxis oder weshalb lässt du mich durch den beschissenen Regen rennen?«
»Du wirst es überleben.«
»Ich mein’s ernst, ich bin nicht dein verdammter Laufbursche. Wenn du das nächste Mal Stoff brauchst, beweg deinen Arsch ins Dolphin House.«
»Du bist vor allem nicht der einzige Dealer in der Stadt.«
Jerzy trat näher. »Was wird das?« Er blickte auf den Laptop.
»Nichts, das dich was angehen würde.«
Ehe Patrick reagieren konnte, drehte der Dealer das Netbook zu sich.
»Ich sagte doch, dass dich das nichts angeht!«
»Warum verfolgst du diesen Scheiß? Arbeitest du irgendwie für die Gerichtsmedizin oder so?«
»Nein.« Patrick klappte den Computer zu. »Ich hol’ dir dein Geld und dann verschwindest du.« Er verließ das Arbeitszimmer und spürte, wie Jerzy ihm folgte. Er ignorierte ihn und griff nach seiner Hose, die immer noch feucht war. Er wollte gar nicht wissen, wie es in seiner Brieftasche aussah.
»Dein Hausmädchen hat’s übrigens nicht drauf. Hier sieht’s aus, als hätte ’ne Bombe eingeschlagen.« Jerzy lehnte in der Tür und blickte sich im Schlafzimmer um.
»Sie ist eigentlich nicht mein Hausmädchen.«
»Jetzt sag nicht, du hast dein Frauchen durch ’ne Jüngere ersetzt?«
»Nein, hab ich nicht.« Patrick fand sein Portemonnaie. Das Leder war klamm und von einer weißen Schicht überzogen.
»Du bist nicht gerade gesprächig.« Jerzy hörte auf, das Zimmer zu inspizieren und sah Patrick an. »Ich muss mir doch keine Sorgen machen?«
Patrick, der gerade ein paar halbwegs brauchbare Geldscheine aus dem Portemonnaie zog, blickte Jerzy ziemlich verwirrt an. »Wieso solltest du?«
»Weil du gerade offensichtlich total von der Rolle bist. Ich hab schon genug Fälle wie dich gesehen. Erst seid ihr smarte Typen mit ’ner Vorliebe für Koka, dann lasst ihr eure Wohnungen verkommen, dann euch selbst und schließlich landet ihr bei Crack oder Freebase. Und das Zeug verkauf’ ich nicht. Da beherrschen die Afrikaner den Markt, die verfluchten Voodoopriester!«
»Nimm dein Geld und geh mir nicht auf die Nerven.« Patrick hielt Jerzy ein paar Scheine hin, die zum Glück intakt waren. Der Pole ließ sie in der Tasche verschwinden, dann griff er sich vorn in die Hose, zog ein Plastikbeutelchen hervor und reichte es ihm.
»Das ist fürs Erste das letzte Mal.« Patrick betrachtete den Beutel in seiner Hand. Zehn Gramm. Damit musste er eine Weile hinkommen, wenn er nicht tatsächlich noch so enden wollte, wie der Dealer es ihm prophezeit hatte.
»Ja, klar. Wir sprechen uns spätestens übermorgen.«
Jerzy warf einen letzten Blick ins Arbeitszimmer und hinter seiner Stirn schien es, wenn das überhaupt noch möglich war, aufs Heftigste zu arbeiten. Dann ging er an Patrick vorbei aus dem Zimmer und hinterließ einen Dunst aus kaltem Rauch, nassem Hund und etwas Scharfem, Medizinischem, das er gar nicht entziffern können wollte.
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Brady und Sean hatten noch einige Stunden im Warteraum des Tallaght Hospital verbracht, bis sie schließlich nach Hause gegangen waren. Toby Simmon war weder während des Rettungstransports noch im
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