Nebelflut (German Edition)
Ordnung?«
»Ist gut …«
»Ist Nate in deiner Nähe?« Bradys Stimme klang keuchend, der Spurt setzte seinen Lungen mehr zu, als er gedacht hatte.
»… ich liege in meinem Zimmer. Nate ist völlig durchgeknallt! Er ist unten und nagelt irgendetwas zusammen.« Brady hörte das Quietschen von Bettfedern. »Glaube ich …«
»Was machst du? Nein, bleib liegen!«
»Das Hämmern hat aufgehört. Ich kann nachsehen, wenn Sie wollen …« Offenbar behagte Toby diese Vorstellung gar nicht.
»Bleib einfach, wo du bist!«
»Ist gut.« Erneut das Quietschen des Bettes.
»Ist Nate bewaffnet? Weißt du das?«
»Er schläft neuerdings mit einem Jagdgewehr neben sich. Sind Sie schon unterwegs?«
Brady gab noch ein bisschen mehr Gas und bog um eine Ecke. »Ein Gewehr sagst du? Ein geladenes?«
»Glaube schon … Sind Sie bald da? Ich glaube er kommt hoch!«
Brady hörte ein Rascheln aus der Leitung dringen.
»Toby?«
»Sssh …« Jetzt konnte er den Jungen nur noch wie durch Watte hören. Brady rannte noch schneller und wäre fast an Seans Hausnummer vorbeigelaufen. Es war ein kleines Einfamilienhaus mit weißen Gardinen und einem gepflegten Vorgarten. Brady hätte bei Sean eher damit gerechnet, dass er ein dunkles Apartment unter dem Dach bewohnte. Mit großen Schritten hastete er über die Wiese und drückte die Klingel.
» Toby? Was zur Hölle tust du da? «, schallte es aus dem Handy. Nate.
»Ich…«
»Toby?« Brady schellte noch einmal, dann noch mal. »Komm schon Sean, komm schon …«
»Du sollst die Finger vom Handy lassen! Wen hast du angerufen?«
Die Tür öffnete sich und Sean hielt Brady eine Pistole an die Stirn. »Du? Was suchst du so spät hier?«
Nahezu zeitgleich hörte Brady ein lautes Scheppern, dann wurde die Verbindung unterbrochen.
»Wir müssen zur Schaf-Farm! Nate droht jetzt auch noch Toby umzubringen!«
-65-
Sean raste über die einsamen Landstraßen nach Brittas und rief dabei Verstärkung. Brady versuchte unterdes vergeblich, Toby Simmon wieder ans Telefon zu bekommen. Zuerst hatte er zweimal das Freizeichen gehört, dann war die Verbindung unterbrochen worden und nun kam er gar nicht mehr zu dem Jungen durch. Er konnte sich bildlich vorstellen, was Nate Toby anzutun vermochte und es waren nicht gerade angenehme Bilder.
»Kannst du nicht schneller fahren?«
Sean gab die letzten Anweisungen über Funk durch und trat dann noch mehr aufs Gas.
Brady konzentrierte sich auf den Sonnenstreifen vor sich am Horizont. Wenn sie Glück hatten, hatte Toby eine gute Ausrede für seinen Anruf gefunden, Nate beschwichtigt und lag nun seelenruhig im Bett.
»Du wartest gleich draußen«, bemerkte Sean mit einem Seitenblick zu Brady.
»Nein, wieso?«
»Du bist betrunken. Ich gehe da kein Risiko ein.« Sean klang, als würde er keine Widerworte zulassen. Doch Brady war nicht gewillt, einfach zuzusehen. Toby hatte ihn angerufen und er war es ihm schuldig, ihm zu helfen.
»… dass du alleine in das Haus eines Schwerbewaffneten gehst, ist nicht gefährlich?«
»Ich habe Erfahrungen, die meine Sinne geschärft haben.«
»So ein Blödsinn.« Brady wandte sich trotzig ab und starrte aus dem Fenster. »Ich lasse dich sicher nicht alleine reingehen.«
Sean schwieg und Brady wertete dieses Schweigen als Zugeständnis, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass der Alte sich so schnell geschlagen gab.
Die Farm lag gespenstisch vor ihnen. Vom Wald her war Nebel aufgezogen, hatte die Wiesen überflutet und hüllte nun das Gebäude in einen dunstigen Schleier. Alle Fenster und Türen waren vernagelt und der Himmel hing tief über dem bemoosten Dach.
»Es gibt noch eine Hintertür«, flüsterte Brady. Die Kälte und das Adrenalin hatten ihn halbwegs nüchtern werden lassen und er hatte nicht mehr das Gefühl, sich und sein Können maßlos zu überschätzen. Langsam aber sicher fühlte er sich wieder als Herr seiner Sinne und dieses Gefühl beruhigte ihn. Er deutete Sean, ihm zu folgen. Dieser zog seine Waffe und sicherte sie beide ab, während sie um die Ecke schlichen. Seine eigenen hektischen Atemzüge und das rasselnde Luftholen seines Partners klangen übernatürlich laut in seinen Ohren.
Erst jetzt fiel es ihm auf: Es war totenstill hier draußen. Die Vögel sangen nicht in Anbetracht der aufgehenden Sonne und nicht einmal der Wind war in den Bäumen zu hören. Brady konnte nur hoffen, dass die beklemmende Stille kein schlechtes Omen war.
Er stieß sich von der Wand ab und spähte um die
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